Karin (Maren Kroymann) reist nach einem Jahr Au-pair-Aufenthalt in Neuseeland zurück nach Deutschland und freut sich darauf, ihren Ehemann Harald (Günther Maria Halmer) endlich wieder zu sehen. Doch es kommt scheinbar anders, als erwartet. Harald verbringt mittlerweile viel Zeit mit der Witwe Sigrid (Imogen Kogge). Dies wird von Karin als Fremdgehen und Ersetzen gedeutet. Wutentbrannt setzt sie Harald vor die Tür, lässt das Schloss austauschen und kommt erstmal bei ihrem guten Freund Gerhard (Heiner Lauterbach) unter. Mit diesem und ihrer besten Freundin Philippa (Barbara Sukowa) übernimmt sie spontan die Leitung des Schülerladens „Schlüsselkinder“ und muss dabei herausfinden, dass der Umgang mit Kindern nicht so leicht ist, wie gedacht.
Review
Wenn ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE kurz beschrieben werden sollte, wäre die legendäre Begriffserklärung von „Schund“ aus PULP FICTION der beste Weg, aber so einfach ist es dann doch nicht. Denn die deutsche Komödie gibt sich auf dem ersten Blick progressiv, verteidigt dann aber lieber konsequent das Bild unserer weiß-männlich-cis-heteronormativ-geprägten Gesellschaft. Es wird nicht mit marginalisierten Gruppen zusammengearbeitet, sondern über sie „progressiv“ gesprochen und sich dabei an Klischees bedient, die wieder ein falsches Bild über diese betroffenen marginalisierten Gruppen erzeugen.
Der Film verläuft nach einer typischen Blaupause für deutsche Komödien der letzten 15 Jahre. Am Anfang entsteht eine problematische Situation, die die Handlung zwar auslöst, mit der sich sonst weiterhin aber nicht beschäftigt wird. Der Hauptteil konzentriert sich darauf, eine Flut aus Witzen auf das Publikum loszulassen, während der dritte Akt von einem niederschmetternden Tief eingeleitet wird, das die Hauptdarstellenden überwinden müssen. Es ist nicht verwerflich, wenn Filme ein ähnliches Muster haben, aber bei deutschen Komödien können die Zuschauenden schon erahnen, was als nächstes passiert und werden gar nicht mehr überrascht.
Pseudoprogressivität und toxische Menschen
ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE schafft es zwar einerseits, Stellung gegen die AfD zu beziehen und zu betonen, wie wichtig die Arbeit gegen die verfassungsfeindliche Partei ist, kriegt es dann aber andererseits hin, ein völlig stereotypes Bild über Menschen mit Migrationshintergrund, queeren Menschen und beziehungstechnisch progressiveren Lebenseinstellungen aufrecht zu erhalten. Es geht in erster Linie nicht mal um die unlustigen Witze, sondern dass falsche Tatsachen geschaffen werden. Polyamorie wird beispielsweise so fatal falsch erklärt, dass man einen Partner für den Haushalt und einen Partner für das Körperliche habe. Eine Lüge, die verschweigt, dass es in dieser Beziehungsform um eine gleichwertige Liebe und Kommunikation zwischen mehreren Personen geht. Diese Art der falschen Darstellung zieht sich immer wieder durch den Film.
Gleichzeitig hat ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE mit Maren Kroymann eine unsympathische, sowie toxische Person, die besonders durch totale Eifersucht, schnelle Vorverurteilung und Verweigerung der Kommunikationsbereitschaft auffällt. Sie wird als moralischer Anker und Sympathieträger des Films dargestellt, ist aber gerade durch das Aussperren und Ignorieren ihres Mannes das exakte Gegenteil. Besonders im zweiten Akt wird sie zudem übergriffig, da sie die anderen in dem Schülerladen dazu animieren will, Heiner Lauterbach mit Aydin (Erkan Durmaz) zu verkuppeln, da beide homosexuell sind und trotz anfänglicher Abneigung ja definitiv zueinander passen würden.
Klischeehafte Abziehbilder
Heiner Lauterbach ist zwar der einzige Charakter mit einer nennenswerten Charakterentwicklung, diese kommt aber durch das übergriffige Verkuppeln zustande. Klar ist es schön, dass er eine Charakterentwicklung durchmacht, da Heiner Lauterbach am Anfang von ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE besonders durch islamophobe und ausländerfeindliche Aussagen auffällt und das mit der kommenden Nähe zu Erkan Durmaz nachlässt, aber die Entwicklung ist weder freiwillig noch aus moralisch nachvollziehbaren Stücken entstanden. Gleichzeitig wirkt diese Liebe zwischen beiden hölzern, was unter anderem daran liegen kann, dass beide Darsteller in echt Heterosexuell sind.
Worauf der Film nicht genug Fokus legt, sind die namensgebenden Enkel, beziehungsweise Kinder. Die Darstellung dieser ist unfassbar klischeebeladen. Ghettoakzent, respektlos und nervig oder introvertierte Nerds mit denen der Film das längst überholte Bild von Autismus bedienen will. Damit ist keiner Person geholfen und die Inszenierung schafft letztlich nur weitere Barrieren zwischen Jung und Alt. Ironischerweise kritisiert der Film genau diese Barriere kurzzeitig selbst.
Der moralisch erhobene Zeigefinger
Trotz all der klischeehaften und fehlerhaften Darstellungen versucht ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE immer noch, moralisch löbliche Aussagen zu treffen. Das macht der Film aber auf eine nervige Art mit erhobenem Zeigefinger und schwingender Moralkeule. So wird das Publikum nicht zum Nachdenken animiert, sondern verhärtet die Meinungen für oder gegen den Film sowie die moralische Perspektive. Es ist ein Werk von Menschen, die sich für progressiv halten, dann aber lieber über, anstatt mit Betroffenen sprechen, für Menschen, die sich progressiv halten. Andere Menschen werden damit wahrscheinlich eher weniger ihren Spaß haben.
Fazit
ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE versucht sich zwar, als progressiver Film zu vermarkten, haut dann aber trotzdem für billige Gags auf marginalisierte Gruppen, nur um im nächsten Moment mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger zu sagen, wie großartig man doch sei. Der Film verhärtet Fronten, schafft Gräber und das sogar zwischen marginalisierten Menschen und Menschen, die sich progressiv und unterstützend nennen. Letztlich reiht sich ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE in eine Reihe vergessenswerter deutscher Komödien ein.
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Originaltitel | Enkel für Fortgeschrittene |
Kinostart | 7.9.2023 |
Länge: | 110 minuten |
Produktionsland | Germany |
Genre: | Komödie |
Regie | Wolfgang Groos |
Cast | Maren Kroymann, Heiner Lauterbach, Barbara Sukowa, Marie Burchard, Imogen Kogge, Johannes Allmayer |
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