Review Fakten + Credits


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Rezension

Drei eingängige Kapitel formen Lisandro Alonsos 2023 in Cannes uraufgeführtes, knapp zweieinhalbstündiges Spielfilmdrama EUREKA: Ein Western in Schwarzweiß, in dem ein wortkarger Viggo Mortensen als verruchter Pistolenheld eine karge Gegend nach seiner Tochter durchstreift; ein Blick in die Gegenwart, zu einer jungen Polizistin, die eine unruhige Nacht im Pine Ridge Reservat in South Dakota verbringt und ein Ausflug tief in den Amazonas-Regenwald. Elegisch entblättern sich jene Geschichten, die Erwartungen an konventionelle (Western-)Erzählungen mit viel Geduld unterlaufen und ein ausschnitthaftes Panorama indigenen Lebens über Jahrzehnte und Kontinente hinweg zeichnen.

eine Polizistin sitzt in ihrem Auto hinter dem Lenkrad und spricht in ein Funkgerät, es ist Nacht, ihr Gesicht wird nur von einem roten Licht angeleuchtet

Eureka © Grandfilm

Lose Anfänge und Enden summieren sich zu einem erzählerischen Dreigespann, welches Bedeutung und Gewicht seiner einzelnen, auf unterschiedlichste Art und Weise eingehenden Erzählstücke erst im Laufe der Zeit zu erkennen gibt. Jeder Übergang zu einem inhaltlich wie gestalterisch neuen Abschnitt wirkt auf den ersten Blick wie ein harter Bruch, ist jedoch eng verknüpft in seinen mystischen Gestalten, zentralen Motiven und Themen, die von Strukturproblemen, Korruption, marginalisierten Lebensrealitäten und Sehnsüchten erzählen und sich als facettenreiche Bestandteile einer rätselhaften Reise erweisen.

Die Federn der Jahrzehnte

Ruhevoll heftet sich der Film an die Fersen seiner wortkargen Protagonist*innen, die sich völlig unabhängig voneinander stets auf der Suche befinden. Der Suche nach einer Tochter, nach Gerechtigkeit, Sicherheit und Selbstverwirklichung oder auch nach einem Ausweg aus der gegenwärtigen Welt, die nur wenig zu versprechen und noch weniger einzuhalten weiß. Mündet jene Suche in einem von wenigen, aber eindringlich phantastischen Momenten, durchbricht der Film nicht nur seine nüchternen und von einem authentischen Schauspielensemble getragenen Schilderungen des Alltags, der Lebensweise und Polizeiarbeit, sondern auch das herrschende Zeit- und Figurengefüge.

ein Mann steht am Zaun eines verschneiten Gatters, er hält eine Feder mit beiden Händen nach oben und betet, im Hintergrund ist eine verschneite Landschaft zu sehen

Eureka © Grandfilm

Feinsinnig lässt Alonso neben den Jahrzehnten und Regionen diverse Genre ineinanderfließen, die sich in den mächtigen Naturaufnahmen und geerdeten Figurenporträts prachtvoll entfesseln. Als Bindeglied durchstreift ein Vogel die von indigenen Perspektiven geprägten Teile des Films, hebt  ab und gleitet gleich der Erzählweise des Films dahin. Gemein sind den einzelnen Einblicken zudem die Spuren der Kolonialisierung, die sich nicht nur in der Vergangenheit und der heroischen Fernsehadaption, zu Teilen dort aufgenommen, wo auch Sergio Leone Werke wie ZWEI GLORREICHE HALUNKEN drehte, sondern gleichermaßen in der Gegenwart äußern.

Er versuche, so der Regisseur in einem Interview zum Film, zu vermeiden, eine Geschichte mit Worten zu erzählen. In EUREKA gelingt ihm das eindrucksvoll, auch in verschiedenen Filmformaten: vom Gesang eines Mannes auf einem schroffen Felsen am Meer über das emotionale Brodeln unter dem gefassten Gesichtsausdruck der ambitionierten Polizistin bis zu den gleitenden Kamerafahrten durch den Regenwald breitet sich große Erzählwucht in vermeintlich ereignisarmen Aufnahmen aus. Manchmal schonungslos und dreckig, dann wieder bildgewaltig und hypnotisch, mal bedrückend und einschnürend und manchmal kaum in Worte zu fassen.

ein von kleinen Felsen umringter See im Urwald, links im Bild sitzt eine junge Frau auf einem großen Stein, vor ihm im Wasser ein oberkörperfreier Mann

Eureka © Grandfilm

Fazit

In ruhevollen, aber eingehend bebilderten zweieinhalb Stunden und drei auf ihre eigene Art eindringlichen Kapiteln führt Lisandro Alonso durch Jahrzehnte, Kontinente und Schicksale und entwirft ein meditatives wie rätselhaftes, zurückhaltendes wie leise imposantes, komplexes und soghaftes Kino-Kunststück.

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Originaltitel Eureka
Kinostart 21.1.2024
Länge: 147 minuten
Produktionsland Argentina
Genre: Drama | Western
Regie Lisandro Alonso
Executive Producer Andreas Roald | Dan Wechsler | Jamal Zeinal Zade | Jasmine Zeinal-Zade
Producer Karla Badillo | María José Córdova | Jonas Dornbach | Carine Leblanc | Rafael Ley | Roberto Minervini | Denise Ping Lee | Marianne Slot | Hedi Zardi | Regina Solórzano
Kamera Timo Salminen
Visual Effects Leandro Pugliese
Cast Viggo Mortensen, Chiara Mastroianni, Alaina Clifford, Sadie Lapontie, Viilbjørk Malling Agger, Adanilo, Marcio Marante, Luísa Cruz, Rafi Pitts, Maria de Medeiros, Santiago Fumagalli, Natalia Ruiz, José María Yázpik

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