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Review

gesehen auf dem diesjährigen DOK.fest München

Als die Regisseurin Farahnaz Sharifi 1979 geboren wird, ist die iranische Revolution bereits im Gange. In ihrem neusten Dokumentarfilm verarbeitet sie das Heranwachsen in einer Umbruchsphase, deren Ausmaß ihr erst Jahre später bewusst werden sollte. Früh entwickelte sich ihr Doppelleben, das nach außen Angepasstheit und ein restriktives Regelwerk repräsentiert und innerhalb der eigenen vier Wände und Familie die persönliche Freiheit auslebt. Ein Leben in zwei verschiedenen Welten, oder wie Sharifi die Metapher mittels Super-8-Aufnahmen und gelegentlich futuristischen Klangdesign wiederholt in ihr autobiographisches Werk einarbeitet: ein Leben auf anderen Planeten.

verwackelte Archivaufnahme einer iranischen Sängerin, ein Lichtblitz durchfährt das Filmmaterial

My Stolen Planet © DOK.fest München

Blicke des religiösen Führers Chomeini schauen streng von Bildern an den Wohnungswänden auf die Familie herab, während Erinnerungen an die Kindheit immer noch mit Freude und Tanz gefüllt sind. Privataufnahmen skizzieren das Familien- und frühe Zusammenleben und werden bald von Archivaufnahmen der Revolution und Jahre später folgenden Demonstrationen erweitert. Aus der persönlichen Geschichte, die sie zum Verlassen ihres Heimatlandes bewegte, entwickelt sich ein umfangreicherer Blick auf den Kampf gegen ein menschenverachtendes System. Und mit diesem auch ein Blick auf Aktivistinnen wie Homa Darabi und Jina Mahsa Amini, die in diesem Kampf ihr Leben ließen.

“sometimes we loose our lives to record”

Gegen das kollektiv forcierte Vergessen arbeitet sich Sharifi chronologisch durch ihre persönliche wie die jüngere Geschichte ihres Landes, in der der Protest und der Wille zur Veränderung so alltäglich wirken wie das Belegen einer selbstgebackenen Pizza. Zentrale Rolle des intimen, aber auch konventionell strukturierten Selbstarchivs übernimmt das Handy als Mittel zur Dokumentation, das nicht nur für sie als Filmemacherin, sondern auch für die Demonstrant*innen großen Wert entwickelte. Den Wert, jene Geschehnisse und Taten festzuhalten, die eigentlich niemals festgehalten werden sollten. Neben den aufwühlenden, zum Teil expliziten Einblicken in die Lebensrealität und Proteste vereinen sich Sharifis private Leidenschaft fürs Filmemachen mit den allgemeinen Einflüssen und Möglichkeiten eines Massenmediums.

Werbeplakat an einem Haus vor einer viel befahrenen Straße, in der Mitte des Plakats ist eine brennende Flagge der USA zu sehen, darum Menschen mit vielen verschiedenen Flaggen, die darüber jubeln

My Stolen Planet © DOK.fest München

Nur, dass dem Vlog einer kleinen Frauengruppe, die ein Stadion besucht, im Kontext des Films viel mehr Aussagekraft innewohnt, als vielen Videoberichten aus aller Welt. Nach jahrelangem Verbot zeigt der wieder erlaubte Stadionbesuch sowohl einen Schritt in Richtung, als auch den weiterhin langen Weg zur Freiheit.

So persönlich die Schilderungen der Vergangenheit und des gegenwärtigen Lebens mit ihrer an Alzheimer erkrankten Mutter, so aufgewühlt sind die Ausblicke auf die Zukunft, die Sharifi in ihrem Film nicht nur als persönlichen Appell gegen den Hass und das Regime versteht. Aus MY STOLEN PLANET ist über die Laufzeit der Dokumentation hinweg längst Our Stolen Planet, die Geschichte (und der Appell) vieler geworden.

Fazit

Mit enger Verbindung zum Medium Film und zur Musik verbindet Farahnaz Sharifi Privataufnahmen und Gesellschaftsdokumentation, persönliche Erinnerungen und Mahnmal zu einem trotz verfremdenden Elementen überwiegend konventionell aufbereiteten Zeitzeugnis.

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Review Fakten + Credits


Originaltitel Sayyareye dozdide shodeye man
Kinostart 21.2.2024
Länge: 82 minuten
Produktionsland Germany
Genre: Dokumentarfilm
Regie Farahnaz Sharifi
Executive Producer Anke Petersen
Producer Lilian Tietjen | Farzad Pak
Cast

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