Tausende haben ohne Liebe gelebt. Niemand hat ohne Wasser gelebt.River
Darum geht es
Mit diesen Worten leitet das Regieduo Jennifer Peedom und Joseph Nizeti einen Film ein, der uns genau das bietet, was der Titel verspricht. Über einen Zeitraum von 75 Minuten wird nahezu durchgehend über Flüsse erzählt, und nur selten schweift die Thematik leicht ab. Fast schon selbstverständlich wäre hier die Reaktion: was soll man denn 75 Minuten lang über Flüsse erzählen? Peedom und Nizeti schaffen es aber tatsächlich, einen tosenden, mitreißenden, aufschäumenden und schimmernden Film zu präsentieren, der nicht nur still dahinfließt, sondern auch gewaltvoll sprudelnd auf uns hinabstürzt und uns vom sanften Rauschen bis kurz vor das Ertrinken führt.
Rezension
Auch wenn es keinerlei Kapitelstruktur gibt, so ist doch schnell ersichtlich, dass sich ein roter Faden durch das Werk zieht, der ebenso mäandert wie die gezeigten Ströme. So sehen wir anfangs als kleine Einstimmung einen beeindruckenden Zusammenschnitt der Vielfalt, in welchem Wasser und entsprechende Flüsse in der Natur auftauchen und dürfen zudem einen ersten Eindruck der enormen Gewalt und doch sanften Harmlosigkeit dieser unkontrollierbaren Kraft erleben. Ergänzt wird dieser Auftakt durch einen Blick auf die Zusammengehörigkeit von Menschen und Wasser. Die Tier- und Pflanzenwelt wird zwar oftmals visuell mit in die Story einbezogen, bekommt jedoch thematisch keine tiefgreifendere Betrachtung, während die Verbindung mit dem Menschen einen sehr dominanten Part einnimmt.
Der rote Faden in RIVER gleicht einem Fluss: ebenso wie das Wasser in Bergen entspringt, versucht das Regieduo einen kleinen Informationsstrom zu erzeugen, der im Verlauf immer weiter anwächst. Die Anfänge des Flusses stehen symbolisch für die Anfänge der Verbindung von Menschen und Wasser, die unweigerlich nicht voneinander trennbar sind. Ebenso wie der Fluss zunehmend anschwillt und beginnt, in das Tal zu sausen, wandern wir in großen Schritten durch die Menschheitsgeschichte und erleben, welche Bedeutungsfacetten diese Grundlage allen Lebens einnimmt und wie unsere Spezies und die Natur gegenseitig voneinander profitierten. Während der Fluss zu einer unbändigen Energie heranwächst, sehen wir, wie auch der Mensch seine Errungenschaften dafür einsetzt, eben jene Energie zu nutzen, zu bändigen, einzupferchen und damit nicht nur Gutes zu erschaffen. Sehr treffend wird uns vermittelt, dass Flüsse durch uns Individuen von Göttern zu Sklaven gemacht wurden.
Ein reißendes Bilderlebnis
Mehrere Kameramänner haben daran gearbeitet, die großartigen Bilder, die sich hier die Klinke in die Hand geben, einzufangen. Eine Aufnahme wirkt imposanter und erschlagender als die andere, und dank des eher ruhigen Pacings wird es uns auch ermöglicht, jedes Bild in seiner vollen Schönheit oder gegebenenfalls auch Tragik genießen zu können. Rückblicke werden dabei zeitweise in schwarz-weißem Archivmaterial gezeigt, welches vor allem im 4:3 Bildformat vorliegt, während der restliche Film in weiten und schier nicht enden wollenden Bildern, die sich im Breitbild über die ganze Leinwand erstrecken, präsentiert wird. Es gibt eine riesige Farbenpracht zu begutachten, und oftmals sehen wir die Szenen aus der Weitwinkelperspektive. Immer wieder jedoch wird auch ein Blickwinkel gewählt, der uns mit der Handlung verschmelzen lässt, und so folgen wir einmal einem hinabstürzenden Fluss, als würden wir selbst gerade in einem Kanu auf diesem hinuntersausen. Sowohl Zeitraffer als auch Zeitlupen prägen das Werk.
Das Bildgeschehen wird begleitet von einer kleinen orchestralen Zusammensetzung, die wir in den ersten Bildern der Dokumentation zu sehen bekommen. Es wirkt regelrecht so, als würden wir statt einem Naturfilm eine Banddoku sehen, in deren Mitte auch noch einer der wichtigsten Schauspieler unserer Zeit auftaucht. Die Musiker führen uns mit diversen klassischen Stücken durch den Film. Gelegentlich gibt es auch dezente Gesangseinlagen, die jedoch eher stimmungsgebend dienen und auf die wir auch gut und gerne hätten verzichten können, da die Leinwandereignisse einfach für sich sprechen. Untermalt wird das Ganze zudem vom sanften und unverkennbaren Klang Willem Dafoes, der mit seiner monotonen, aber gleichzeitig auch neugierig machenden Stimme ein hervorragendes Kontrastbild erzeugt. Nur sehr spärlich vermittelt er uns Informationen und setzt die gezeigten Bilder in einen wirksamen Kontext – es ist einfach ein akustischer Genuss, diesem Mann zuzuhören.
Die Fahrlässigkeit der Menschen
Sehr lobenswert ist es, dass Jennifer Peedom und Joseph Nizeti es schaffen, uns ein Gefühl der Wichtigkeit und Schönheit des Wassers zu verschaffen, gleichzeitig aber auch auf massive Probleme aufmerksam machen, die vor allem aus Menschenhand stammen. RIVER versucht dabei nicht unbedingt mit dem Finger auf uns zu zeigen und uns für unseren fahrlässigen Umgang mit der Natur zu beschimpfen, sondern viel mehr ein Bewusstsein zu erzeugen, durch welches wir selbst zur Erkenntnis gelangen, wo unsere Fehler liegen. Statt darauf zu verweisen, dass Pestizide, Müll und sonstige Verunreinigungen sowie auch Staudämme massive Schäden anrichten, werden uns diese einfach gezeigt, so das uns selbst überlassen bleibt, was wir mit diesen Informationen anfangen. Daher ist RIVER auch eher als Bestandsaufnahme zu betrachten.
Fazit
Das Dokumentationen in der heutigen Zeit visuell auf einem extrem hohen Niveau produziert werden, ist längst kein Geheimnis mehr. Deshalb ist es auch kaum überraschend, dass RIVER uns schon optisch in seinen Bann zieht. Auch wenn es etwas schade ist, dass wir nie erfahren, wo welche Aufnahmen entstanden sind, so bietet uns das Werk doch einige Bilder, die nur selten den Weg in die Kinos schaffen, und noch immer bin ich völlig fasziniert von der Sprengung eines Staudamms, der brachialen Gewalt, des ausströmenden Wassers und den Einblicken dahin, was eben jene Wassermassen zurücklassen. Es ist zudem regelrecht erfüllend zu sehen, wie sich ein ausgetrockneter Fluss langsam wieder füllt und das Wasser sich seinen Weg bahnt. Schockierende Aufnahmen erzeugen regelrechte emotionale Ergriffenheit. Die kontrollbezogene Perversion des Menschen steht im Gegenlicht zur Schönheit der Natur, und so liegt es mir sehr am Herzen, diese Dokumentation wärmstens zu empfehlen.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Dokumentationen werden häufig gleichgesetzt mit anstrengenden Arte-Themen, die recht schwer auf dem Magen liegen. Das Regieduo Jennifer Peedom und Joseph Nizeti beweist jedoch, dass dieses Genre so viel mehr zu bieten hat. In RIVER sehen wir die unglaubliche Welt der Flüsse. Dabei folgen wir einem roten Faden, der ebenso mäandert wie die gezeigten Ströme und uns faszinierende Einblicke in unsere Natur gibt. Willem Dafoe führt uns durch eben jene Leitfäden als zurückhaltender, aber einprägsamer Erzähler, dessen Stimme so kraftvoll ist, dass wohl selbst ein vorgelesenes Arztrezept bei ihm voller Spannung stecken würde. Begleitet von wunderbarer orchestraler Musik bietet dieses Werk uns einen Moment der Seelenruhe, in dem wir einfach nur die überragenden und imposanten Bilder genießen können. Zwar handelt es sich bei RIVER nicht um die eine großartige Dokumentation, die jeder gesehen haben muss, doch eine Empfehlung ist dennoch angebracht.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Thousands have lived without love. No one has lived without water.River
This is what it’s all about
With these words, the directing duo Jennifer Peedom and Joseph Nizeti introduce a film that offers us exactly what the title promises. Over a period of 75 minutes, the story is almost continuously about rivers, and only rarely does the subject matter digress slightly. Almost self-evident here would be the reaction: what is there to tell about rivers for 75 minutes? But Peedom and Nizeti actually manage to present a roaring, rousing, frothing and shimmering film that not only flows quietly along but also violently gushes down on us, taking us from gentle rushing to just short of drowning.
Review
Although there is no chapter structure whatsoever, it is quickly apparent that there is a thread running through the work that meanders as much as the currents shown. Thus, as a small introduction, we see an impressive summary of the diversity in which water and corresponding rivers appear in nature and are also allowed to experience a first impression of the enormous violence and yet gentle harmlessness of this uncontrollable force. This prelude is complemented by a look at the affinity between people and water. Although the animal and plant world is often visually included in the story, it does not receive a thematically more profound consideration, while the connection with humans takes a very dominant part.
The red thread in RIVER resembles a river: just as water rises in mountains, the directing duo tries to create a small stream of information that keeps growing as it progresses. The beginnings of the river symbolise the beginnings of the connection between people and water, which are inevitably inseparable. Just as the river increasingly swells and begins to rush into the valley, we walk in great strides through human history and experience the facets of meaning that this foundation of all life takes on and how our species and nature mutually benefited from each other. As the river grows into an unbridled energy, we see how man too uses his achievements to harness this very energy, to tame it, to inculcate it and thus not only to create good things. Very aptly, we are told that rivers have been made slaves by us individuals of gods.
A ripping visual experience
Several cameramen have worked to capture the magnificent images that are here. One shot looks more imposing and more devastating than the other, and thanks to the rather calm pacing, we are also allowed to enjoy each image in its full beauty or, as the case may be, tragedy. Flashbacks are shown at times in black and white archive footage, which is primarily in 4:3 aspect ratio, while the rest of the film is presented in wide and seemingly never-ending images that stretch across the screen in widescreen. There is a huge splendour of colour to examine, and often we see the scenes from a wide-angle perspective. Again and again, however, an angle is chosen that allows us to merge with the action, and so we once follow a falling river as if we ourselves were hurtling down it in a canoe. Both time lapse and slow motion characterise the work.
The images are accompanied by a small orchestral composition, which we see in the first images of the documentary. It seems as if we are watching a band documentary instead of a nature film, in the middle of which one of the most important actors of our time appears. The musicians lead us through the film with various classical pieces. Occasionally, there are also discreet vocal interludes, but these serve more to set the mood and we could well have done without them, as the screen-walking events simply speak for themselves. The whole thing is also accompanied by the gentle and unmistakable sound of Willem Dafoe, who creates an excellent contrast with his monotonous but at the same time curious voice. Only very sparsely does he convey information to us and put the images shown into an effective context – it is simply an acoustic pleasure to listen to this man.
The negligence of humans
It is very commendable that Jennifer Peedom and Joseph Nizeti manage to give us a sense of the importance and beauty of water, but at the same time draw our attention to massive problems that are mainly man-made. RIVER does not necessarily try to point the finger at us and berate us for our negligent treatment of nature, but rather to create an awareness through which we ourselves come to realise where our faults lie. Instead of pointing out that pesticides, rubbish and other pollutants, as well as dams, cause massive damage, we are simply shown them, leaving us to decide for ourselves what to do with this information. For this reason, RIVER should be seen more as a stocktaking.
Conclusion
It is no longer a secret that documentaries in this day and age are produced at an extremely high visual level. Therefore, it is hardly surprising that RIVER captivates us visually. Even if it is a bit of a shame that we are never told where which shots were taken, the work offers us some images that rarely make it into cinemas, and I am still completely fascinated by the blowing up of a dam, the brute force, the water pouring out and the glimpses of what those same masses of water leave behind. It is also downright fulfilling to see how a dried-up river slowly fills up again and the water makes its way. Shocking footage creates real emotional emotion. The control-related perversion of man is set against the beauty of nature, and so it is very close to my heart to warmly recommend this documentary.
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Originaltitel | River |
Kinostart | 21.04.2022 |
Länge | ca. 75 Minuten |
Produktionsland | Australien |
Genre | Dokumentation |
Verleih | Film Kino Text |
FSK |
Regie | Jennifer Peedom | Joseph Nizeti |
Drehbuch | Jennifer Peedom | Joseph Nizeti | Robert Macfarlane |
Produzierende | Jennifer Peedom | Lorelle Adamson | Anna Godas | David Gross | Oli Harbottle | Jo-Anne McGowan | John Smithson | Paul Wiegard |
Musik | William Barton | Piers Burbrook de Vere | Richard Tongnetti |
Kamera | Yann Arthus-Bertrand | Sherpas Cinema | Ben Knight | Peter McBride | Renan Ozturk |
Schnitt | Simon Njoo |
Besetzung | Rolle |
Willem Dafoe | Narrator |
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