Originaltitel: Schwarze Milch
Kinostart: 23.07.2020
Länge: ca. 92 Minuten
Produktionsland: Deutschland | Mongolei
Regie: Uisenma Borchu
Schauspieler: Uisenma Borchu | Gunsmaa Tsogzol | Terbish Demberel
Genre: Drama | Familie
Verleiher: Alpenrepublik GmbH
Viereinhalb Mal so groß wie Deutschland, rohstoffreich und bereits vor 500.000 Jahren besiedelt: Ganz klar ist hier die Rede von der Mongolei. Doch was erst einmal recht imposant klingt, zeigt sich beim genauen betrachten doch eher als weitestgehend naturbelassene Steppe, in welcher gerade einmal rund drei Millionen Menschen leben. In diesem sehr dünn besiedelten Land leben die Menschen von Viehwirtschaft und Bergbau in nomadischen Verhältnissen. Bereits im Film EINE GRÖẞERE WELT wurde auf dieses idyllische und rückständig erscheinende Leben verwiesen und ein Eindruck geschaffen, der den engen Familienzusammenhalt unterstreicht und die generelle Distanziertheit der Einwohner zu Reisenden aufgreift.
Regisseurin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Uisenma Borchu berichtet in diesem Film biografisch und dokumentarisch, aber dennoch als Spielfilm angelegt, über persönliche Erlebnisse. Sie selbst stammt aus der Mongolei, zog dann aber mit ihren Eltern vor etlichen Jahren in die damalige DDR. Daher lernte sie sowohl das Stadt- als auch Wüstenleben kennen und vereint damit in ihrer Person zwei völlig unterschiedliche Kulturkreise. Dieser distanzierte und doch zugleich vertraute Blick auf das Leben in einem international kaum berücksichtigten Land, in welchem die dort lebenden Menschen zudem eng verknüpft sind mit schamanistischen Ritualen, diente als Grundlage für die (nach eigener Aussage) roh und ungeschliffene Perspektive, die der Film einnimmt.
Darum geht es…
Wessi hat das Leben in Deutschland satt. Nicht nur, dass sie Sehnsucht nach ihrer Schwester hat, ihr derzeitiger Partner stellt zudem auch keine Erfüllung ihrer Wünsche dar. Das Verhältnis zwischen den beiden bröckelt zunehmend und Wessi entscheidet sich von heute auf morgen in ihre Ursprungsheimat, die Mongolei, zurückzukehren. Doch aller Anfang ist schwer. Die beiden Schwestern haben sich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen und während Ossi ihr ganzes Leben in der Idylle der mongolischen Steppe verbracht hat und kein anderes Leben kennt, muss Wessi ihre Gepflogenheit als Großstadtkind lernen abzulegen, denn sie möchte gerne dauerhaft dort leben und wieder als Teil der Familie angesehen werden. Kritisch beäugt sie die Traditionen der Nomaden und trotz das beide Schwestern überglücklich sind wieder zusammen zu sein, herrschen doch einige Differenzen zwischen ihnen. Nicht gerade förderlich wirkt da die frische Liebe zwischen Wessi und einem Außenseiter.
Rezension
Ohne große Umschweife komme ich diesmal direkt zum Punkt: Bekommen wir hier nicht eine Art Kopie von EINE GRÖẞERE WELT aufgetischt? Bleibt nur die Frage, wer von wem abgeschrieben hat? Tatsächlich begeben sich beide Geschichten auf ein weitestgehend parallellaufendes Gleis, denn wir bekommen zu Beginn die Hauptfigur vorgestellt, die mit ihrem Leben in der Großstadt unzufrieden ist und aus etwas differenzierten Gründen die Flucht in die mongolische Einöde antritt. Erst dort erfahren sie persönliche Vollkommenheit und Zufriedenheit und müssen sich überwinden die Gepflogenheiten der lokalen kulturellen und religiösen Ansichten zu erlernen. Selbstverständlich unterscheiden sich die beiden Geschichten ein wenig im Storytelling und vor allem in den Nebenfiguren, doch grundlegend bekommen wir hier schon eine erschreckende Ähnlichkeit aufgezeigt.
Ebenfalls nicht unterschiedlich ist das Storytelling. Beide Filme bedienen sich einer sehr ruhigen und abwartenden Erzählweise, in der nur spärlich ein dramaturgischer Bogen eingebastelt ist. Beide Filme schaffen es dadurch auch nie so recht auf den Punkt zu kommen und zeigen uns vielmehr eine langweilige und uninteressante Abhandlung in einem sowieso schon tristen Lebensraum, der uns auch visuell nur selten spektakuläre Bilder zu bieten hat. Doch schafft es SCHWARZE MILCH im direkten Vergleich zumindest ein wenig zu punkten, weil hier der Fokus nicht einzig und allein auf der Lebensweise in den mongolischen Steppen beschränkt ist, sondern sich auch in einer Form Beziehungsdrama familiärer Natur ausdrückt. Dennoch weiß der Zuschauer gar nicht so recht wie ihm geschieht und durch jeglichen Verzicht auf erklärende Momente, dauert es eine Weile, bis diverse Zusammenhänge schlüssig erscheinen.
Zwei Paar Schuhe am selben Fuß
Darüber hinaus scheinen beide Filme das exakt gleiche Problem zu haben: Sie wollen einen Inhalt präsentieren, der dokumentarisch wertvoll ist und versuchen dies dennoch in einen Spielfilm zu packen. Warum? Warum konzentriert man sich nicht auf den Stoff den man hat und produziert lieber eine gute Dokumentation als ein ungenügendes Drama? Sehr gerne sehe ich mir einen entsprechenden Film über das Leben in der Mongolei und die Landschaften dieses Landes an. Doch dafür muss ich nicht nahezu belanglosen Charakteren folgen, die selbst erst diese Lebensweise kennen lernen müssen. Die scheinbare Intention dahinter gemeinsam mit den Hauptdarstellern in dieses Wissen einzutauchen scheitert einfach daran, dass die Protagonistinnen jeweils austauschbare Marionetten darstellen, die nur für einen übergeordneten Zweck eingeführt werden, aber inhaltlich kaum Bewandtnis zeigen.
Es ist fast schon schade so über den beziehungsweise die Filme schreiben zu müssen, denn im Kern ist eine sehr gute Position und Intention erkennbar, die durchaus Potential gehabt hätte, doch scheitern sie daran, dass der Zuschauer sich auf eine storylastige Handlung einstellt durch die ersten Szenen und etwas völlig anderes erhält. Tatsächlich finde ich dies sehr schade, den vor allem Hauptdarstellerin Uisenna Borchu, die selbst auch für den Film verantwortlich ist, hat mir schauspielerisch eigentlich recht gut gefallen. Hat sie sich also vielleicht zu sehr auf das darstellende Spiel konzentriert als letztlich auf die Geschehnisse hinter der Kamera sowie die Gesamtwirkung für den Zuschauer? In jedem Fall muss leider auch hier eine Empfehlung ausbleiben und ich kann partout nicht mehr Punkte vergeben als für EINE GRÖẞERE WELT.
Copy and Paste! Besser kann man den Film wohl kaum beschreiben, denn wir sehen hier in den Grundelementen exakt den gleichen Film wie ihn schon der zuletzt rezensierte – EINE GRÖẞERE WELT – uns präsentiert hat. Wer hier von wem abgeschrieben hat ist nicht erkennbar, doch ist relativ eindeutig, dass in beiden Fällen die Regisseurinnen dahinter eine lobenswerte Intention hatten und diese letztlich leider nur ungenügend umsetzen konnten, was besonders in Bezug auf diesen Film recht tragisch ist, da hier die Regisseurin zugleich noch Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin ist und eigentlich aller höchster Respekt dafür gezollt werden müsste. Doch wie schon bei meiner anderen Rezension steht im Mittelpunkt die große Frage: Warum versucht man bei diesem Thema krampfhaft eine erzählende Geschichte zu etablieren, wo sich doch der Inhalt bestens für eine dokumentarische Aufarbeitung anbietet. In diesem Zuge kann man auch gerne die jeweilige Hauptdarstellerin mit der Kamera einfach verfolgen, doch was der Zuschauer absolut nicht braucht ist eine lapidar hingeklatschte Storyentwicklung, die dann noch nicht einmal fesselnd oder begeisternd wirkt. Interessanterweise sagt die Regisseurin selbst, dass sie die Mongolei ungeschliffen und roh zeigen möchte und dies auch dokumentarisch aufarbeiten wollte, doch warum bekommen wir nicht genau das? Ich wäre begeistert mich intensiv mit der Kultur und den geografischen Besonderheiten des Landes als Konsument zu beschäftigen, aber eben auch nur dies. Schade!