FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kolleg:innen
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Originaltitel: Ba Bai
VoD – Release: 11.02.2021

FSK 16

FSK 16 ©FSK

Länge: ca. 149 Minuten
Produktionsland: China
Regie: Hu Guan
Schauspieler:innen: Zhi-Zhong Huang | Hao Ou | Wu Jiang
Genre: Kriegsfilm | Drama
Verleih: Koch Films

The 800

The 800 ©2020 Koch Films

Während hier zu Lande die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem geprägt zu sein scheint von den zwei Weltkriegen, in welchen Deutschland aktiv war, tobte auch tief im Osten ein bitterlicher Krieg, der wohl vielen gar nicht so recht bekannt war. Vom 07. Juli 1937 bis zum 09. September 1945 wurde in China der zweite Japanisch-Chinesische Krieg ausgetragen, bei dem die Japaner eine Invasion auf China starteten. Daher wird dies vor Ort auch als Widerstandskrieg bezeichnet. Die erste größere Schlacht fand dabei in der bedeutenden Industriestadt Shanghai statt, welche sich in der Zeit vom 13.08. bis 09.11.1937 abspielte. Beteiligt waren rund eine Millionen Soldaten wovon ganze 200.000 den kriegerischen Auseinandersetzungen zum Opfer fielen. Den chinesischen Truppen war der Ausgang jedoch schon zuvor klar und sie rechneten damit die Schlacht zu verlieren. Da es sich jedoch um die erste größere Schlacht handelte, war dies vor allem ein Prestige-Widerstand.

Mit der starken Gegenwehr, die von den chinesischen Soldaten geleistet wurde, sollte vor allem die Motivation der gesamten Bevölkerung gesteigert werden. So entstand ein zentraler Krisenherd Ende Oktober rund um das Sihang Lagerhaus, welches am Wusong Fluss ziemlich zentral in der Stadt gelegen war. Bekannt wurde die dortige Schlacht vor allem wegen des Widerstandes von 452 chinesischen Soldaten, die sich in dem Lager verschanzten und die Japaner an der Überquerung der nahgelegenen Brücke hinderten. Der Leutnant Xie Jinyuan sorgte mit einer geschickten Strategie dafür, dass die Verteidiger als die „Eight Hundred Heroes“ in die Geschichte eingingen, denn der Öffentlichkeit wurde eben jene Zahl an Soldaten preisgegeben, obwohl es eigentlich deutlich weniger waren. Die Japaner sollten damit eingeschüchtert werden. Letztlich starben auf chinesischer Seite vermutlich 10 Soldaten und 37 wurden verwundet, während die Japaner Verluste von über 200 in Kauf nehmen mussten.

The 800

The 800 ©2020 Koch Films

Darum geht es…

THE 800 beschäftigt sich somit mit eben jener legendären Widerstandsschlacht rund um das Lager und insbesondere mit den verschiedenen Helden des 542. Regiments der Nationalrevolutionären Armee Chinas. Der Film steigt ein knapp vor Beginn der gesamten Belagerung und endet mit der finalen Flucht der chinesischen Soldaten, nach dem sie ganze fünf Tage den Angriffen standhielten. In dieser Zeit mussten sich die Soldaten widrigsten Bedingungen aussetzen und gerieten immer wieder in schwierige Hinterhalte. Zudem mangelte es teilweise an qualifizierter Ausbildung. Doch Leutnant Xie Jinyuan sorgt stets dafür, dass seine Männer zusammenhielten und ein deutliches Zeichen für die Moral während der bevorstehenden Kriegszeit setzen konnten. Unter anderem durch den patriotischen Akt der Flaggenhissung und der damit verbundenen Zeichensetzung für die eigenen Truppen.

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Rezension

„Wenn ich zu Staub zerfalle, werdet ihr mich lächeln sehen.“

Schon jetzt hat sich THE 800 für immer in die Filmgeschichte eingetragen, denn mit knapp 500 Millionen US-Dollar Umsatz war dieses Werk das erfolgreichste im Jahr 2020 angesichts natürlich des sowieso schwierigen Kinojahres. Interessant dabei ist, dass gerade einmal rund 300.000 US-Dollar im amerikanischen Markt eingespielt wurden, während fast die gesamte restliche Summe in einheimischen Kinos erzielt werden konnten. Dies liegt vermutlich vor allem daran, dass es sich natürlich um einen äußerst patriotischen Film handelt, der die lokalen Publikumsmassen mobilisieren konnte. Doch wird er auch inhaltlich seinem Erfolg gerecht?

The 800

The 800 ©2020 Koch Films

Schon der Schriftzug lässt uns sehr an einen ähnlich erfolgreichen Film denken, der bereits 2006 in den Kinos erschien. Mit 300 hat Zack Snyder damals ein kriegerisches Epos geschaffen, der auch inhaltlich einige Parallelen bietet. So versucht THE 800 eine Unterlegenheit der sympathisierenden Armee zu schaffen, um damit die Spannung hochzutreiben. Natürlich ist dies keine spezielle filmische Entscheidung gewesen, sondern basiert, wie schon eingehend angedeutet, auf realen Ereignissen. Dennoch wird spätestens bei den Recherchen zum tatsächlichen Geschehen deutlich, dass dieser Film durchaus mit einigen dramaturgischen Übertreibungen arbeitet. So bekommen wir gewissermaßen im Film fast schon regelmäßig einen Tod der „eigenen“ Soldaten gezeigt, was durchaus den Eindruck erweckt, dass die Truppenstärke im gesamten Verlauf doch deutlich dezimiert wurde. Schaut man sich jedoch die tatsächlichen Todeszahlen an, so wartet einiges an Überraschung auf einen.

Historisch ungenau und visuell unliebsam

Somit ist schon jetzt klar, dass dieses Werk sich einer großzügigen Auslegung der tatsächlichen Geschehnisse bedient. Doch gerade das kann natürlich ein gutes Zeichen sein, denn nicht jede reale Schlacht bietet auch wirklich den Spannungsbogen, den es für eine gute filmische Umsetzung benötigt. Leider jedoch schafft es dieser Film dennoch nicht die Erwartungen zu erfüllen und schludert mit eher trantütigen und einfallslosen Darstellungen ein viel zu langen Scheinepos hin, der keinerlei Relevanz mit sich bringt. Klar schafft er es auf ein unfassbares historisches Ereignis hinzuweisen und das Interesse auf sich zu ziehen, doch dabei bleibt es auch schon. Der Filmgenuss selbst ist deutlich geschmälert, da scheinbar der Versuch unternommen wurde großen amerikanischen Vorbildern zu entsprechen und gleichzeitig aber nicht die epochale Gewalt auszustrahlen, die häufig in US-Werken zu erkennen ist.

The 800

The 800 ©2020 Koch Films

Eines der wesentlichsten Probleme ist dabei wohl, dass wir einen äußerst breiten Cast präsentiert bekommen, bei dem es nur schwer ist durchzublicken, wer welche Rolle einnimmt und somit welche Aufgaben trägt. Auch nach den über zwei Stunden Film ist dies an vielerlei Stelle noch nicht eindeutig klar und das Publikum bekommt somit stets einen Blick auf eine große Anzahl von Darsteller:innen die völlig gesichtslos bleiben und dementsprechend auch keine Bindungsmöglichkeit bieten. Dies wird zudem nicht gerade durch die Bildgestaltung gefördert, denn die eher tristen und farblosen Aufnahmen schaffen es nicht das Interesse der Zuschauenden einzufangen. Zwar bietet der Kontrast zwischen farbloser Gestaltung und überaus intensivem Rot des Blutes eine Assoziation zum Film SCHINDLERS Liste, doch wäre jeglicher qualitative Vergleich vermessen.

Die Handlung ist stets geprägt vom Wechsel zwischen Schlachtszenerien, in denen das Publikum schnell den Überblick verliert und ruhigen angriffslosen Phasen, in denen die Darsteller:innen zumeist belanglose Unterhaltungen führen, die stets darauf abzielen, dass die meisten der Soldaten lieber nicht dort sein würden wollen. Jeglicher Heroik wird somit schon früh das Futter genommen, auch wenn es der Film schafft zumindest in der letzten halben Stunde noch einmal etwas im Pacing anzuziehen und den Score minimal epischer zu gestalten. Doch das reicht eben nicht aus. Mehr als zwei Stunden Langeweile und kaum Erkenntnisse der historischen Wichtigkeit sorgen recht deutlich für die eher enttäuschende Darbietung. Das Werk glänzt weder mit technischer Brillanz noch mit atemraubenden Kampfszenen noch mit geschichtlicher Relevanz. Auch die schauspielerischen Darbietungen können als belanglos abgestempelt werden.

The 800

The 800 ©2020 Koch Films

Fazit

Bereits das 20-minütige Intro gibt einen Eindruck für den gesamten Film, denn schon dort wird eine Einführung präsentiert, die in kürzester Zeit hätte abgehandelt sein können, hier jedoch in ewige Längen gezogen wurde. Dieses Bild zieht sich durch die gesamte Handlung und bis auf kleine Szenen, die die Qualen und Herausforderungen der Soldaten gut in Szene setzen können, schafft es das THE 800 zu keinem Zeitpunkt eine wirklich eigene Identität zu entwickeln. Viel mehr wirkt es, als würde man ein Abbild international hochklassiger Kriegsepen für das eigene Volk schaffen wollen und zumindest die Umsatzzahlen scheinen diesen Erfolgsweg ja zu bestätigen. Die Zweifel sind jedoch groß, ob eine entsprechende Begeisterung auch hierzulande möglich ist.

Der erfolgreichste Film des vergangenen Jahres schwappt nun auch nach Europa. Auch wenn wir unter den aktuellen Umständen leider nicht die Chance bekommen ihn im Kino zu schauen, ist es doch zumindest wundervoll, dass @koch_films dieses Werk im Homerelease präsentiert. Doch kann dieser Kriegsepos auch hier begeistern, wo er doch bisher gerade einmal rund 300.000 US-Dollar in Amerika einspielen konnte? Tatsächlich eher nicht. THE 800 versucht mehr zu sein als er ist. Mit weit über zwei Stunden Laufzeit wird uns ein Epos vorgegaukelt, der schon anhand der Story nicht wirklich mitreißen kann, was jedoch auch in der wahren Geschichte begründet liegt. Aber wenn schon die Handlung keine dramaturgische Genialität zeigen kann, wäre es doch naheliegend alle Kraft in monumentale Filmsequenzen zu legen, einen heroischen Score einzubasteln und mit besonderen Spezialeffekten aufzuwarten. Leider jedoch bekommen wir all dies nicht geliefert und müssen uns viel mehr mit eher unbedeutendem chinesischem Patriotismus begnügen, welcher ergänzt wird um einen fast schon irrwitzigen Kontrast zwischen dem alltäglichen luxuriösen Leben der normalen Passanten und dem abgewrackten totbringenden Überlebenskampf des chinesischen Regiments. Es ist schade, aber das Werk hat mich leider ziemlich enttäuscht.

The 800

The 800 ©2020 Koch Films


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