100.000 - Alles, was ich nie wollte

100.000 – Alles, was ich nie wollte ©2020 notsold | Fynn Kliemann

FilmkritikIn Kürze

Originaltitel: 100.000 – Alles, was ich nie wollte
Kinostart / VoD – Release: 25.04.2020
Länge: ca. 80 Minuten
FSK: unbekannt
Produktionsland: Deutschland
Regie: Ole Hellwig
Genre: Dokumentation
Verleiher: notsold

Anfangs recht unscheinbar, stellt sich doch schnell heraus, dass Fynn Kliemann ein sehr einnehmendes Wesen verkörpert, welches großen Einfluss auf seinen Werdegang ausübte. Geboren in Niedersachsen hat der Freigeist im Alter von 21 Jahren begonnen sich mit seinen Talenten auf Youtube zu vermarkten. Diese sind recht breit gefächert und reichen von Heimerwerker-Visionär über Webdesigner bis hin zu Musiker und seit kurzem auch Schauspieler. Es gibt kaum eine Tätigkeit, bei der er so einfach aufgibt – vielmehr versucht er sich mit gekonnter Leichtigkeit, die zeitlich dennoch ein unglaubliches Arbeitspensum abfordern, durchs Leben zu manövrieren und immer neue Projekte anzugehen, die ihm im Gegensatz zum kommerziellen Erfolgswunsch, einfach nur Spaß machen.

Fynn Kliemann – Der Newcomer

In einer stetig wachsenden Erfolgskurve hat Fynn Kliemann sein Leben in die eigene Hand genommen und sich bis heute durch immer wieder neu auftretende Hürden steuern müssen. Doch wie auch jetzt für seinen Film 100.000 – ALLES, WAS ICH NIE WOLLTE hat er stets einen Weg gefunden neue Ideen zu entwickeln und diese in ein Erfolgserlebnis zu verwandeln. Eigentlich war es geplant dieses Projekt, welches in zweijähriger Arbeit entstand, Ende Mai für eine einzige Vorstellung in die Kinos zu bringen. Aktuelle Geschehnisse verhinderten jedoch diesen Plan, woraufhin Kliemann und sein Team dennoch nicht aufgegeben haben und nun allen Fans die Möglichkeiten boten sich ein Ticket für einen einmaligen Live-Stream zu besorgen.

100.000 - Alles, was ich nie wollte

100.000 – Alles, was ich nie wollte ©2020 notsold | Fynn Kliemann

Innerhalb dieses Streams wurde der Zuschauer erst einmal mit einem kurzen Introvideo begrüßt, in welchem Kliemann selbst sein Ticket am Einlass eines Kinos vorzeigt und kurz darauf mit einer ergaunerten Popcorn-Tüte den Saal betritt. Diese Einführung schaffte sogleich eine innige Verbindung zu den Lichtspielhäusern. Dem Zuschauer ist es daraufhin möglich gewesen sich den Film nahezu beliebig oft anzuschauen während eines gewissen Zeitraumes. Zudem gab es noch eine nette Anleitung für die heimischen Vorbereitungen auf den Film hinsichtlich der eigenen Popcornproduktion.

Ein Kinoerfolg ohne Kino

Wie nun bekannt ist wurden insgesamt 120.000 Tickets für das Werk verkauft, von denen im Moment der Öffnung des Streams ganze 25.000 gleichzeitig den Film konsumierten. Wie aus eigenen Kreisen betitelt entspricht die dem Niveau von JOKER, der ebenfalls an einem Tag solche Besucherdimensionen realisieren konnte. Doch gleichzeitig war es dem Produktionsteam ein Bedürfnis den Kinos, die unter der aktuellen Krise sehr leiden und sich dennoch ursprünglich bereit erklärt hatten den Film mit einem Screening zu unterstützen, eine Hilfestellung zu bieten und 25% des gesamten Erlöses an diese zu überliefern. Dafür musste jeder Zuschauer beim Login sein Heimatkino angeben, welchem dann Anteile der Mittel zugespielt bekommt.

100.000 - Alles, was ich nie wollte

100.000 – Alles, was ich nie wollte ©2020 notsold | Fynn Kliemann

Rein weg aus diesen Aspekten heraus verdient die gesamte Idee, die ganze Arbeit und die vielen unermüdlichen Stunden der Schufterei einen hohen Respekt, denn selten agieren Filmschaffende so selbstlos und engagiert. Doch soll es hierin natürlich nicht nur um die viele Theorie gehen, sondern geht es bei mir natürlich eher darum, was der Film tatsächlich kann, wie er auf die Zuschauer wirkt und wo auch mögliche Schwächen liegen.

Darum geht es…

100.000 – ALLES, WAS ICH NIE WOLLTE beschäftigt sich vor allem erst einmal mit der Albenproduktion des 2018 erschienen Werks „Nie“. Dabei begleitet Kameramann Michele Arpe den gesamten Produktionsverlauf von der ersten Idee bis hin zur endgültigen Fertigstellung, von der Musik hin zu den Schwierigkeiten der Produktion, Lagerung und des Versands sowie auch privaten Einblicken. All dies endet schließlich in einem persönlichen Erfolgserlebnis, welches in einer Preisverleihung bei WDR 1-Live gipfelte und durch private Genugtuung die Liebe zur eigenen Arbeit bewies.

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Rezension

Auch Abseits des unterstützenden Gedankens für die Kinobranche muss ein großes Lob an das Produktionsteam ausgesprochen werden, welches aus Ole Hellwig, Michele Arpe, Antje Maus und einigen wenigen weiteren unterstützenden Mitgliedern besteht. Sie haben es geschafft ein recht umfassendes Projekt in völliger Eigenregie zu realisieren und dabei auf einen sonst üblichen, sehr umfassenden Produktionsweg zu verzichten. Dies bedeutete natürlich auch ein enormes Arbeitspensum, welches sich alle Unterstützer auf ihre eigenen Schultern lasteten. Und für all diesen Minimalismus hinter den Kulissen, ist es vollkommen beeindruckend, welches Resultat sie letztlich präsentieren konnten.

100.000 - Alles, was ich nie wollte

100.000 – Alles, was ich nie wollte ©2020 notsold | Fynn Kliemann

Trotz dass diese Arbeit zu großen Teilen von Laien der Filmwirtschaft verrichtet wurde, haben sie es geschafft stets genau die richtigen Strippen zu ziehen, um den Zuschauer bei Laune zu halten. Mir als Rezipienten war bis dato der Name Fynn Kliemann tatsächlich unbekannt, auch wenn seine Musik aus den Ohren der Menschen wohl kaum noch wegzudenken ist und auch mir schon mehrfach den Tag versüßt hat. Gerade aus diesem Aspekt heraus, bietet die Dokumentation eine spannende Möglichkeit sich intensiver mit dieser Person zu beschäftigen, auch wenn wir letztlich gar nicht so viel über den Menschen selbst erfahren. Hier scheiden sich vermutlich erstmalig die Geister, denn es ist leicht gesagt, dass man aus dem Film rausgeht und nur minimal etwas über den Menschen Fynn Kliemann erfahren hat.

Das Album “Nie”

Diese Kritik ist berechtigt, doch muss dabei berücksichtigt werden, dass es sich letztlich nicht um eine Biografie, sondern eine Dokumentation über das Album „Nie“ handelt. Dieser Part hingegen wurde bestens ausgeführt und so ziemlich alles Wissenswerte über das musikalische Werk verraten, was es nur gibt und damit seine Aufgabe umfassend erfüllt. An dieser Stelle muss erneut ein Lob ausgesprochen werden, denn die meisten Dokumentationen schweifen sehr schnell ab und erzählen Dinge, die sich auch deutlich abseits der eigentlichen Intention bewegen, während hier doch an diesem wesentlichen Fokuspunkt eisern festgehalten wurde.

100.000 - Alles, was ich nie wollte

100.000 – Alles, was ich nie wollte ©2020 notsold | Fynn Kliemann

Wohl dosiert, sprich nicht zu wenig, aber eben auch nicht zu viel, wurde die gesamte Handlung mit der eigenen Musik des Künstlers unterlegt und dadurch ein weiteres Gefühl dafür geschaffen, wie sich die Person mit den verschiedenen Aspekten des Lebens auseinandersetzt. Ganz abgesehen davon, ob man Fan dieser Klänge ist oder nicht, wird es doch geschafft die Stimmung der Zuschauer immer wieder gekonnt anzuheben und dementsprechend zu lenken.

Zu großen Teilen besteht der Film aus Live-Mitschnitten aus den vergangenen Erlebnissen des Künstlers, welche weitestgehend für sich selbst sprechen und keiner Kommentierung bedürfen. Dennoch gibt es teilweise auch Abschnitte, die mit einer kürzeren Off-Unterlegung versehen sind, die jedoch stets von Fynn Kliemann selbst stammen. Nur selten wird Interviewartig der Informationsgehalt des Films erweitert.

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100.000 – Alles, was ich nie wollte ©2020 notsold | Fynn Kliemann

Kliemann als Alleinunterhalter

Den wesentlichen Erfolg des Films und vor allem die vielen positiven Reaktionen, die es bisher gibt, stammen zumeist wohl aus der extrem dominanten und einnehmenden Persönlichkeit des Sängers selbst, denn dieser hat zu allem ein netten, lustigen und leichten Kommentar zu ergänzen und zeigt niemals irgendwelche Nervositäten oder Ängste. Dadurch besteht immer ein gewisser Schwung, der den Zuschauer mit sich reißt. Leider jedoch wächst auch zunehmend mit der Sichtung des Films die Sorge, dass aus diesem sehr bodenständigen, lebhaften und ehrlichen Typen mit der weiteren Karriereentwicklung ein abgehobener Mensch wird, der die Erfolgswelle bis in die Unendlichkeit führen will und schließlich keinen Bezug zur Realität mehr findet. Dieser Punkt ist offensichtlich noch nicht erreicht und wünschenswert ist auch, dass es nicht dazu kommt, doch sind die Voraussetzungen dafür bestens gegeben.

100.000 - Alles, was ich nie wollte

100.000 – Alles, was ich nie wollte ©2020 notsold | Fynn Kliemann

Stilsicher und professionell zeigen sich vor allem die Kameraaufnahmen, die weitestgehend ruckelfrei schaffen, immer genau die richtigen Momente einzufangen. Weitestgehend mit Handkamera und Handy gedreht wird effektiv mit Licht gearbeitet, um stets die Protagonisten optimal ins Bild zu setzen. Wie das Produktionsteam selbst sagt, war hieran das wirklich schwierigste der Schnitt, denn dieser wurde gleich mehrfach geändert und erneuert. Letztlich jedoch hat auch hier alles gestimmt und so entstehen zauberhafte Momente wie der Entwicklungsprozess des Musikvideos zum Titel „Zuhause“ sowie dessen finale Einbindung, die eine tolle Abwechslung zum sonst etwas gediegeneren Fortschritt der Story liefern.

Fanservice wird groß geschrieben

Insgesamt bleibt zu sagen, dass vor allem der Fanservice groß ist und man als begeisterter Zuschauer von Fynn Kliemann eine sehr ansprechende Dokumentation über den Entstehungsprozess seines Albums erhält. Auch als Desinteressierter an seiner Arbeit bietet der Film viele begeisterungsfähige Momente, die vor allem durch eine angemessene Dramaturgie zwischen Erfolg und Misserfolg erzeugt werden, ohne das dabei zu sehr auf die Unterhaltung des Zuschauers gesetzt wurde. Ehrlich und überzeugend präsentiert uns 100.000 – ALLES, WAS ICH NIE WOLLTE einen Blick auf einen schier unerreichbar fernen Künstler, der letztlich doch sehr bodenständige Wurzeln hat und uns mit seiner Nähe zum Menschen ermutigen kann. Auch der Titel ist präzise gewählt und schafft aus den wenigen Worten genau das zu reflektieren, was letztlich auch dem Zuschauer geboten wird. Fast schon sehnsüchtig habe ich nach Kritik-Punkten gesucht, konnte bei weitem jedoch keine ausmachen.

Hier gibt es noch einen Einblick in das anschließende Q+A nach dem Film:

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Mit viel Herz und Leidenschaft und – noch viel wichtiger – aus völlig eigener Kraft geboren zeigt uns dieses Werk, dass es nicht einer großen renommierten Filmcrew bedarf um seine Ziele zu realisieren, sondern alles auch mit eigenem Enthusiasmus geschaffen werden kann, sofern man von einer Sache wirklich überzeugt ist. Ein grundlegend Laienhaftes Team vor und hinter der Kamera hat es dennoch geschafft, sowohl filmhandwerklich als auch inhaltlich und über den Film hinaus, sehr viel richtig zu machen und damit die Gemüter der Fans, aber auch aller anderen Zuschauer, angemessen zu befriedigen. Viel mehr sogar zu begeistern, denn Musik und Bild fusionieren zu einer spannenden und unterhaltenden Einheit, die im Gesamtbild genau das präsentieren, was der Zuschauer gern gesehen hätte. Es gibt an sich keine Ansätze als Grundlage für Vorschläge der Verbesserung oder Entwicklung, da das Gesamtwerk absolut rund und stimmig ist. Einzig bleibt die Hoffnung, dass dieser Erfolgsweg dem Künstler nicht zu Kopfe steigt und dieser weiterhin seinen Erfolgsweg beibehält.

100.000 - Alles, was ich nie wollte

100.000 – Alles, was ich nie wollte ©2020 notsold | Fynn Kliemann