Born in Evin

Born in Evin ©2019 Real Fiction

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Originaltitel: Born in Evin
Kinostart: 17.10.2019
DVD/Blu-ray – Release: 05.06.2020
VoD – Release: 04.05.2020
Länge: ca. 98 Minuten
Produktionsland: Deutschland
Regie: Maryam Zaree
Genre: Dokumentation
Verleiher: Real Fiction

Die 37-jährige Maryam Zaree ist längst kein unbekannter deutscher Filmstar mehr. Nachdem sie ihre Karriere mit mehreren TV-Produktionen und Tatort-Teilnahmen begann, gesellten sich zunehmend auch immer mehr Kinofilme in ihrer Vita hinzu. Vor allem in den vergangenen Jahren hatte sie einige große Erfolge zu verzeichnen mit Produktionen wie 4 BLOCKS, SYSTEMSPRENGER sowie mit gleich zwei Filmen, die auf der Berlinale 2020 ausgestrahlt wurden: UNDINE und BORN IN EVIN. Doch letzterer stellt einen ganz besonderen Film in ihrer persönlichen Geschichte dar, denn in diesem war sie nicht nur als Hauptakteurin tätig, sondern führte gleichzeitig auch Regie.

Darum geht es…

Maryam Zaree stammt ursprünglich aus Teheran, doch als politische Flüchtlinge gelangte sie durch ihre Mutter im Alter von gerade einmal zwei Jahren nach Deutschland. Gerade diese ersten beiden Lebensjahre stellten dabei eine sehr spannende Zeit in ihrer Geschichte dar, doch leider sind ihr aus eben jener Zeit fast keine Informationen bekannt. So entwickelte sie vor einigen Jahren das Bestreben diese Lücke zu füllen und der Vergangenheit auf den Grund zu gehen, was sich im Verlauf ihrer Recherchen als große Herausforderung darstellen sollte. Die Person, die ihr wohl hätte am einfachsten berichten können, ist ihre Mutter, die erste politisch Verfolgte und aus dem Iran immigrierte Bürgermeisterin einer deutschen Stadt. Doch eben jene weigert sich seit jeher an diese Zeit zurück zu denken, denn sie ist der Auffassung, dass solch schwere Zeiten keinen Raum in der eigenen Lebensgestaltung gegeben werden sollte und man sich auf die glücklichen Momente fokussieren müsse.

Born in Evin

Born in Evin ©2019 Real Fiction

In BORN IN EVIN zeigt die Schauspielerin nun ihre persönliche Suche nach der Wahrheit und wie sie dafür quer durch die Welt reist. Eins ist ihr nämlich immer klar: sie selbst ist im Gefängnis Evin geboren wurden, auch wenn sie nicht weiß, warum ihre Mutter dort inhaftiert war, wie das Leben dort war oder wie sie freigekommen sind. Ebenso fraglich ist die Geschichte um ihren Vater, der dort auch einsitzen musste und noch lange nach der Auswanderung seiner Familie nach Deutschland dort eine Strafe abzusitzen hatte. Wird Maryam Zaree es schaffen die Fragezeichen zu lüften und ihre Lebensgeschichte zu komplettieren?

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Rezension

Von der ersten Sekunde an schafft es die noch unerfahrene Regiedebütantin all ihre Emotionen und Leidenschaft in dieses Wunschprojekt zu stecken, welchem weit mehr als drei Jahre Forschungen zu Grunde liegen. Sie holt den Zuschauer in der Gegenwart ab und nimmt ihn dabei mit auf eine Zeitreise in die 80er Jahre im Iran. Stück für Stück erarbeitet sie sich ein Gesamtbild ihrer Jugend und präsentiert dabei voller Stolz die teilweise dramatischen Ereignisse, die sie prägten, ohne dabei jedoch den Eindruck zu erwecken, dass sie sich in den Mittelpunkt stellen möchte, sondern vielmehr ein Stück Geschichte aufarbeiten will, welches sie als erzählenswert betrachtet.

Born in Evin

Born in Evin ©2019 Real Fiction

Chronologisch vorgehend entwickelt sie eine Art Schatzsuche, in der sie von Hinweis zu Hinweis reist, diese ergründet und daraufhin weitere Erkenntnisse für ihre Suche zieht. Diese bleibt jedoch nicht ohne herbe Rückschläge, wodurch die Dokumentation deutlich an Authentizität gewinnt und die Schwierigkeiten offenlegt, die der Wahrheitsfindung dienen. Um ihre Antworten zu finden interviewt sie immer wieder vor allem ihre Familienmitglieder, aber eben auch Personen, die selbst inhaftiert waren und ist zudem stets bestrebt andere Kinder ausfindig zu machen, die dort in Evin geboren wurden. Dabei wird jedoch schnell deutlich, dass es sich um eine sehr schwere Zeit gehandelt haben muss, denn nur sehr spärlich gibt es Betroffene, die tatsächlich über die Erlebnisse berichten wollen.

Born in Evin

Born in Evin ©2019 Real Fiction

Etappenweise Suche nach der Wahrheit

In häufigen Off-Einspielungen beschreibt die Schauspielerin darüber hinaus ihre Vorgehensweisen, ihre Ziele und Erkenntnisse und berichtet gleichzeitig aus dem Teil ihrer Vergangenheit, an welchen sie sich tatsächlich noch erinnern kann. Immer mit voller Leidenschaft dabei, fällt es dabei nicht gerade schwer mit der gebürtigen Iranerin mitzufühlen und ihren Leidensprozess zu verfolgen. Leider jedoch rutscht das ganze Projekt immer wieder in kleinere Krisen, denn immer wenn die Untersuchungen stocken, wird der Zuschauer in eine orientierungslosen Nichts zurückgelassen, in welchem ohne Frage Maryam Zaree in dem Moment wohl selbst gesteckt hat. Nichts desto trotz fehlt in diesen Augenblicken einfach ein Ankerpunkt, welcher das Interesse der Zuschauer weiterhin einfängt und sagt: Okay, wir haben zwar einen Rückschlag erlitten, doch so geht es weiter und so kommen wir dem Ziel doch ein Stück näher.

Born in Evin

Born in Evin ©2019 Real Fiction

Was bleibt schließlich von dieser Dokumentation haften? Tatsächlich nicht so viel, denn die gesamte Handlung dreht sich ein wenig im Kreis und führt letztlich nicht zu einem konkreten Resultat. Dennoch empfinde ich es als sehr mutig diesen Film zu präsentieren, denn einerseits wird gezeigt, dass nicht jedes Problem eine Lösung hat und andererseits werden mitleidende dazu ermutigt sich selbst nicht hinter einer Blockade der Verschwiegenheit zu verstecken, sondern offen über Probleme und Sorgen zu kommunizieren und damit eine eigene geistige Befriedigung zu erfahren. Kaum merklich wird also eine psychische Analyse eingebunden, die letztlich sehr wertvoll sein kann. Gleichzeitig wird dem Zuschauer verdeutlicht, dass es sich nicht lohnt die Hoffnung aufzugeben, sondern weiter an eigenen Zielen festzuhalten und aus jedem Rückschlag noch mehr Energie zuziehen.

Abschließend muss auf jeden Fall noch erwähnt werden, dass es wunderbar ist, wie die Leiden verschiedener Parteien ungekürzt und ehrlich gezeigt werden. Dadurch schafft es Maryam Zaree all ihre Liebe und Leidenschaft in ihr Projekt zu packen und unverfälscht einen Einblick in eine subjektive Wahrnehmung von Geschichte zu bieten.

Gebrandmarkt als Dokumentation über das Gefängnis Evin in Teheran zeigt Hauptdarstellerin und Regisseurin Maryam Zaree uns viel mehr den aufwendigen und steinigen Weg ihrer Suche der Wahrheitsfindung über ihre persönliche Geschichte. Schnell werden die Sehnsucht und der Wunsch auf Antworten über eine fragliche Zeit ihrer Jugend deutlich und zieht den Zuschauer emotional tief in die Handlung hinein. Doch weitestgehend bleibt es leider bei dieser gefühlvollen Ebene, denn inhaltlich ist zwar der Wunsch groß eine umfassende und spannende Geschichte zu erzählen, doch bleibt die Suche und Recherche leider erfolglos. Ohne Frage ist es trotzdem interessant der Geschichte der Frau zu folgen und zusammen mit ihr die Hinweissuche etappenweise zu betreten, doch liefert das Werk letztlich nur eine kleine moralische Lebenseinstellung statt eines spannenden erzählenswerten Zieles.

Durch die extrem persönliche Ebene der eigenen Emotionen und Gefühle, schafft es BORN IN EVIN dennoch mich als Rezipienten abzuholen und in seinen Bann zu ziehen und mir eine tolle Zeit zu liefern, was jedoch nicht zuletzt an dem sehr sympathischen und bodenständigen Auftreten der Regisseurin selbst liegt. Auch wenn die Verzweiflung hinsichtlich der erfolglosen Suche groß ist, hätte ich mir doch sehr gewünscht weitaus mehr über eben jenes Gefängnis in Evin zu erfahren, wie die Menschen dort gelebt haben, warum sie dort einsaßen und viele weitere spannende Aspekte. Respektierlich ist die Arbeit der Newcomerin im Regiestuhl absolut und die inhaltlichen Schwierigkeiten können ihr nur schwer zum Vorwurf gemacht werden, denn jegliche Mühe ist absolut hoch anzuerkennen, doch bleibt letztlich einfach das trostlose Ergebnis, welches durch eine moralische Erkenntnis nicht vollends das Gemüt befriedigt. Somit bleibt mir nur zu sagen: Menschlich – Top, Inhaltlich – Flop!

Born in Evin

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