Review Fakten + Credits


Darum geht es
Der Geschmack der kleinen Dinge Filmstill

Der Geschmack der kleinen Dinge ©2023 Neue Visionen Filmverleih

Gabriel Carvin ist der berühmteste Sternekoch Frankreichs und hat eigentlich alles, was man sich wünschen kann: Sein Restaurant besitzt als einziges in Frankreich einen Kristallstern – eine der höchsten Auszeichnungen für Gastronomien –, er hat ein begehrtes Restaurant in einem alten Kloster und eine Familie, die zu ihm und seinem Restaurant hält, obwohl er sie über Jahre vernachlässigt hat. Dennoch ist er müde vom Leben und sein Appetit lässt nach. Selbst seine mittlerweile dritte Auszeichnung langweilt ihn und kann nicht mehr die gewünschte Bewunderung auslösen. Dies liegt unter anderem daran, dass ihm der Preis ausgerechnet von dem Kritiker überreicht wird, mit dem seine Frau eine Affäre unterhält. Als er dann noch einen Herzinfarkt erleidet, macht es sich sein bester Freund Rufus zur Aufgabe, Gabriel zu helfen, seinen Traum zu finden. Er überredet Gabriel zu einer Hypnose, die in ihm die Erinnerung an die vergessene fünfte Geschmacksrichtung entfacht: Umami. Diese hofft Gabriel bei einem alten Kollegen in Japan zu finden und begibt sich voller neuer Lebensfreude auf den Weg.

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Rezension

DER GESCHMACK DER KLEINEN DINGE wird hauptsächlich aus der Perspektive Gabriel Carvins erzählt. Dieser wird von Gérard Depardieu – trotz seiner mittlerweile 74 Jahre – größtenteils perfekt verkörpert. Er schafft es, zwischen der Persönlichkeit des Kotzbrockens, welcher alles und jeden um sich verachtet, der Rolle des liebevollen Vaters und der des herzlichen Freundes zu balancieren. Die Chemie mit seinem jüngsten Sohn Nino Carvin, seinem besten Freund und auch seinem Bekannten, den er in einem Kapselhotel in Japan kennenlernt, ist herzlich, amüsant und unterhaltsam zugleich. Jedoch stechen seine Szenen als Widerling teils so stark heraus, dass seine Rolle etwas unsympathisch wurde. Dies ist wahrscheinlich vom Drehbuch gewollt und Depardieu ist hier kein Vorwurf zu machen, da er diese Persönlichkeit perfektioniert. Es gibt nur einen Moment im Hotel, der nicht die gewünschte Wirkung erzielt. Hier betrinkt sich Carvin bis zum äußersten und fängt an, zu furzen, zu rülpsen und sich zu erbrechen. Dieser Rausch ist unlogisch und nicht nachvollziehbar, da er zehn Minuten davor noch erwähnt hat, dass er aufgrund seines Herzinfarktes keinen Alkohol trinken dürfe. Die Szene soll wohl die Trauer symbolisieren, schafft dies aber nicht und lässt Carvin stattdessen wie einen verwahrlosten Trinker wirken.

Der Geschmack der kleinen Dinge Filmstill

Der Geschmack der kleinen Dinge ©2023 Neue Visionen Filmverleih

Richtig lebendig wird der Film, wenn Gabriel Carvin auf den japanischen Koch Tetsuichi Morita trifft und dieser sich dazu bereit erklärt, den französischen Sternekoch zu unterrichten und die Bedeutung des Umamis zu erklären. Das Aufeinanderprallen der zwei verschiedenen Welten, die letztlich doch verschmelzen, ist berührend, da die Neuentdeckung für den Genuss der kleinen Dinge hier im Mittelpunkt steht. Wir begleiten Carvin auf seiner Reise, deren Bilder als Parabel für seinen Aufstieg in sein neues Ich dienen. Diese Bergfahrt wird als sehr anstrengend, aber schlussendlich auch als lohnenswert dargestellt. Allein das Kochen kommt deutlich zu kurz. Das ist generell ein Problem des Films. Wenn wir Gabriel Carvin, seinen Sohn und die Crew oder Tetsuichi Morita in der Küche sehen, passiert dies mit vielen Schnitten, die zwar nicht schlecht gesetzt sind, aber keinen tieferen Einblick in den Alltag der Küche erlauben. Der Fokus wird hierbei auf die Anrichtung des fertigen Essens gelegt. Wer Szenen wie aus der Serie THE BEAR erwartet, wird hier also enttäuscht.

Zuckersüß mit einem bitteren Nachgeschmack

Abseits davon haben wir viele Nebencharaktere, die jeder für sich eigentlich interessante Geschichten haben. Diesen wird jedoch nicht genug Raum gegeben. Gabriels älterer Sohn will ihn mit seiner Kochkunst begeistern, schafft es aber nicht, seinem Vater gerecht zu werden. Erst als eine Influencerin in Gabriels Abwesenheit zu Besuch kommt, sieht er seine große Chance. Gabriels Frau lebt seit seinem Herzinfarkt im Zwiespalt mit sich und ihrer Affäre, und sein jüngster Sohn, der eigentlich ein Freigeist ist, wird gezwungen, auf sein verhasstes Handy zurückzugreifen und seinen Vater zu suchen. Auf der anderen Seite haben wir die Tochter von Tetsuichi, die nicht viel Raum bekommt. Jedoch hat sie mit Mai Morita eine Tochter, die an Depressionen leidet – diese wurden im ersten und zweiten Akt sehr gut dargestellt – und durch Gabriel aus ihrer Antriebslosigkeit gerissen und zur Übersetzung zwischen ihm und ihrer Mutter benötigt wird.  Das Problem ist, dass der Film zu viele große Konflikte aufreißt, die aber nicht genug thematisiert werden und stattessen wie abgehetzt wirken. Die Nebencharaktere wirken somit auf den ersten Blick spannend, sind aber schnell als schlecht gezeichnet erkennbar.

Der Geschmack der kleinen Dinge Filmstill

Der Geschmack der kleinen Dinge ©2023 Neue Visionen Filmverleih

Akt drei lässt dann leider stark nach. Der Film versucht auf Feelgood-Momente zusetzen und auf Krampf für alle Charaktere ein Happy End zu biegen, ohne dass auf die Kontroversen näher eingegangen wird. Hier muss jede Person plötzlich eine positive Entwicklung durchleben. So darf der ältere Sohn von Gabriel endlich beweisen, was für ein Talent in ihm steckt und Gabriel ist, obwohl er das gar nicht live mitbekommt, stolz auf seinen Sohn. Das ist inkonsequent. Es hätte dem Film wahrscheinlich sogar besser getan, wenn die Nebencharaktere in Frankreich entfallen wären und man sich ausschließlich auf die Handlung in Japan konzentriert hätte. Denn auch die depressive Enkelin des japanischen Kochs bekommt ihr glückliches Ende und ist dank Nino Carvin von ihrer Depression geheilt. Es ist klar, dass Depressionen so nicht funktionieren. Weder in der Realität noch im Film. Einzig Gabriel und Tetsuichi dürfen aus sich herauswachsen und eine echte gemeinsame Entwicklung durchmachen, der es angenehm ist zuzusehen, da dieser Prozess herzlich und ehrlich ist. Gerade Gabriel, der am Anfang von DER GESCHMACK DER KLEINEN DINGE noch behauptete, dass er nur für die Leidenschaft des Kochens und nicht für die der Liebe Raum habe, erkennt, dass seine Hingabe neu entflammt ist und er eigentlich beides miteinander vereinbaren kann und muss. Die Prozess ist an sich schön, wird aber albern gelöst und schließlich schafft das Werk es nicht, beide Leidenschaften gleichwertig einzufangen.

Die Kamera und der Schnitt sind größtenteils sehr gut und schaffen sogar Bilder und Perspektiven, die nicht all zu häufig in einem Film zusehen sind. So gibt es immer wieder Kamerafahrten, die wie kleine Plansequenzen wirken und hervorragend inszeniert sind. Es gibt aber auch Momente, in denen das Bild in Sequenzen stark wackelt. Dies wird dann noch von chaotischen Schnitten begleitet, sowie hektischer Musik untermalt.

Stilisierter Negativfilm mit roter Ziffer 6Fazit

DER GESCHMACK DER KLEINEN DINGE fängt sehr stark an, lässt aber dann gerade im dritten Akt bedeutend nach. Vor allem das Ende hat mich herausgerissen und mit einem großen Fragezeichen zurückgelassen. Das ist schade, denn unter der ganzen Kritik und Verwirrung verbirgt sich eine interessante Geschichte über die Leidenschaft des Kochens und das über sich selbst hinauswachsen. Letztlich trägt Gérard Depardieu den Film. Er ist wahrscheinlich das Hauptargument, um DER GESCHMACK DER KLEINEN DINGE zu sehen.

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