Review Fakten + Credits


Ogre - Der Fluch Filmstill

Ogre – Der Fluch ©2023 Plaion Pictures

Das Horrorgenre genießt einen gemischten Ruf. Auf der einen Seite gibt es eingefleischte Horrorfans, die sich nach dem nächsten Schock sehnen. Für viele kann es gar nicht blutig genug sein. Große Franchises wie die CONJURING-Reihe oder der letztjährige Film SMILE – SIEHST DU ES AUCH? haben dazu beigetragen, dass das Genre von vielen Außenstehenden als einfache Geisterbahn wahrgenommen wird. In Horrorfilmen geht es doch nur darum, dass man erschreckt wird, oder? Nein, weit gefehlt! Das Horrorgenre bietet viel mehr als Spukhäuser, die von schrecklichen Gestalten heimgesucht werden. In den letzten Jahren hat sich eine neue Strömung im Horror gebildet. Filmemacher wie Ari Aster (HEREDITARY, MIDSOMMAR, BEAU IS AFRAID) oder Jordan Peele (GET OUT, WIR, NOPE) gehen einen anderen Weg. In ihren Filmen kommt es ebenfalls zu furchtbaren Ereignissen, doch diese stehen stellvertretend für die inneren Dämonen der Figuren oder für gesellschaftliche Missstände. Einen ähnlichen Weg geht der französische Regisseur Arnaud Malherbe in seinem Film OGRE – DER FLUCH.

Darum geht es…

Chloé (Ana Girardot) möchte ein neues Leben beginnen. Gemeinsam mit ihrem Sohn Jules (Giovanni Pucci) verlässt sie die Stadt, um ihre neue Stelle als Lehrerin auf dem Land anzutreten. Nachdem die beiden ein schlimmes Schicksal erlitten haben, hoffen sie auf Besserung in dem kleinen Dorf. Doch auch der Frieden in dem kleinen Örtchen ist gestört. Vor einem Jahr ist ein Junge in Jules’ Alter verschwunden. Zusätzlich scheint ein wildes Tier regelmäßig die Kälber der Bauern zu reißen. Während Chloé mit dem örtlichen Arzt Mathieu (Samuel Jouy) anbandelt, fällt es Jules schwer, Anschluss zu finden. Der Junge wird von den anderen Kindern gehänselt, weil er auf ein Hörgerät angewiesen ist. Die Lage verschlimmert sich noch, als der Junge beginnt, ein Monster zu sehen, das nachts durch sein Fenster schaut. Niemand will ihm glauben, nicht mal seine eigene Mutter.

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Rezension

Auf den ersten Blick bietet OGRE – DER FLUCH alles, was die Filme der zuvor genannten Regisseure auszeichnet. Wir sehen ein kleines Dorf, in dem die Bewohner*innen scheinbar ein Geheimnis haben. Die Neuankömmlinge werden skeptisch beäugt. Schon in den ersten Minuten wird deutlich, dass Regisseur Arnaud Malherbe ein Händchen für Atmosphäre hat. Obwohl Chloé und Jules sich nach einem Neuanfang sehnen, ist das Dorf in entsättigten Farben gehalten. Trotz des strahlenden Sonnenscheins wirkt der Ort bedrückend, fast schon trostlos. Am Rande des Dorfes erstreckt sich ein Wald, dessen Ausmaße uns durch wunderschöne Drohnenaufnahmen präsentiert werden. Dieses visuelle Erlebnis wird von einem zurückhaltenden Soundtrack unterstrichen. Wenn überhaupt Musik zu hören ist, dann sind es dissonante Streicher, die eine Thriller- oder Mystery-Stimmung erzeugen. Noch interessanter ist jedoch der bewusste Verzicht auf Ton. Oftmals befinden wir uns in der Perspektive von Jules. Wenn er nachts alleine in seinem Zimmer ist, nimmt er sein Hörgerät heraus und der Film wechselt in eine dumpfe, bedrohliche Stille.

Ogre - Der Fluch Filmstill

Ogre – Der Fluch ©2023 Plaion Pictures

Ebenso überzeugend sind die beiden Hauptdarsteller von OGRE – DER FLUCH. Auf der einen Seite sehen wir Giovanni Pucci als Jules, einen achtjährigen Jungen, der trotz seines jungen Alters bereits viel durchgemacht hat. Pucci bringt die Unsicherheit und die tiefe Angst, die Jules in sich trägt, so überzeugend in seine Figur ein, als wäre er schon seit Jahren Schauspieler. Ebenso überzeugend ist die Leistung von Ana Girardot als Chloé. Sie möchte die starke Schulter für ihren Sohn sein, obwohl sie selbst Leid erfahren hat. Sie versucht, eine unerschütterliche Mutter zu sein, die keine Angst vor Monstern hat. Girardot verkörpert einerseits diese starke Mutterrolle, aber in den subtilen Nuancen ihrer Darstellung sieht man auch Verzweiflung und Trauer. Sie schafft es, diese Emotionen mit kleinen Gesten oder durch ihre Augen subtil zu vermitteln. Während diese beiden Figuren gut funktionieren, bekommen die anderen Dorfbewohner*innen leider weniger Raum. Insbesondere der Arzt Mathieu, der ebenfalls eine zentrale Rolle spielt, ist sehr archetypisch und vorhersehbar.

Der nächste Stern am Horrorhimmel?

Obwohl Arnaud Malherbe sein handwerkliches Geschick im Filmemachen zeigt, kann OGRE – DER FLUCH auf der Handlungsebene leider weniger überzeugen. Vor allem fällt auf, dass uns Hintergrundinformationen über viele der Figuren fehlen. Zum Beispiel fragen wir uns, warum Jules von den anderen Kindern gehänselt wird. Es scheint einen bestimmten Grund dafür zu geben, der jedoch nicht näher erläutert wird. Ebenso stellt sich die Frage, warum Jules ein Hörgerät trägt. Man hat das Gefühl, dass es einen Zusammenhang mit den schlimmen Ereignissen in der Vergangenheit gibt, aber darauf wird nicht weiter eingegangen. Generell erfahren wir nur wenig über Jules und Chloé. Dies fällt umso mehr bei den Dorfbewohnern und dem Monster auf, das Jules sieht. Es fehlen jegliche Erklärungen zu den Figuren und Ereignissen. Einiges spielt sich zwar in den Zwischentönen ab. Es wirkt jedoch beinahe so, als hätte der Regisseur dem Film mehr Komplexität verleihen wollen, als die Geschichte eigentlich hergibt.

Ogre - Der Fluch Filmstill

Ogre – Der Fluch ©2023 Plaion Pictures

Trotz einiger Mängel muss man sagen, dass OGRE – DER FLUCH im Vergleich zu vielen anderen Horrorfilmen positiv heraussticht. Auch wenn nicht alle Fragen beantwortet werden, fiebert man dennoch mit Jules und Chloé mit. Man wünscht ihnen, dass sie endlich Ruhe und ihren Platz in der Welt finden können. Der Film nutzt auf der Metaebene seine Stärken aus. Im Grunde genommen handelt OGRE – DER FLUCH nicht nur von einem Monster im Wald, obwohl es auf den ersten Blick so erscheinen mag. Vielmehr geht es um Themen wie Traumata und den Umgang mit Ängsten. Im Laufe der Handlung sehen wir, wie Jules eine beeindruckende Entwicklung durchläuft und wieder Mut fasst. Der Film konfrontiert den Protagonisten mit seiner größten Angst, um ihn daran wachsen zu lassen. Obwohl dies nicht auf die subtilste Art und Weise geschieht, ist der Film dennoch einen Blick wert.

Fazit: Stilisierter Negativfilm mit roter Ziffer 6

Mit OGRE – DER FLUCH gelingt es Regisseur Arnaud Malherbe, einen stimmungsvollen Horrorthriller im Stil von HEREDITARY oder DER BABADOOK zu inszenieren. Obwohl er nicht ganz an die Stärken dieser beiden großartigen Filme heranreicht, ist OGRE- DER FLUCH dennoch ein sehr spannender Horror-Thriller, der unter seiner Oberfläche mehr bietet als eine typische Geisterbahnfahrt. Leider lässt das Drehbuch zu viele Fragen offen, doch dies wird durch das herausragende Schauspiel von Giovanni Pucci und Ana Girardot problemlos ausgeglichen. Die beiden verkörpern ihre Rollen mit so großer Subtilität, dass aus den Figuren echte Menschen werden.

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Review Fakten + Credits


Originaltitel Ogre
Kinostart 20.4.2022
Länge: 102 minuten
Produktionsland Belgium
Genre: Horror | Fantasy | Drama
Regie Arnaud Malherbe
Cast Ana Girardot, Samuel Jouy, Giovanni Pucci, Fabien Houssaye, Albertine Rivière, Félix Malherbe, Emile Thenard, Roman Malherbe, Charlie Thenard, Claire Marin, Gwenaël Fournier, Clément Galzenati, Cannelle Helgey, Morgane Lacroix, Marion Festraëts, Stéphanie Myevs

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