Yung

Yung ©2019 Wild Bunch Germany

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FSK 16

FSK 16 ©FSK

Originaltitel: Yung
Kinostart: 28.11.2019
VoD – Release: 24.04.2020
DVD/Blu-ray – Release: 24.07.2020
Länge: ca. 95 Minuten
Produktionsland: Deutschland
Regie: Henning Gronkowski
Schauspieler:innen: Janaina Liesenfeld | Emily Lau | Joy Grant
Genre: Dokumentation | Drama
Verleiher: Wild Bunch Germany

Zwar hat Henning Gronkowski mit TEENS ON AGE schon früher einen Film gedreht, doch da dieser mit gerade einmal 73 Minuten noch als Kurzfilm deklariert wird, gilt sein neustes Werk YUNG als sein Spielfilmdebut. Dieser Film folgt zwar einem vorher angefertigten Drehbuch, ist jedoch weitestgehend inspiriert von dem Leben der Darsteller selbst sowie auch seiner eigenen Jugenderfahrungen. Die Idee dafür stammt aus einer zufälligen Momentaufnahme seines Lebens – einen Aufenthalt in Amsterdam, der sich dadurch auszeichnete, dass sein Auto aufgebrochen wurde, woraufhin er sich wieder in das Nachtleben stürzte und seine Erlebnisse in schriftlicher Form festhielt und dabei begann zu ergründen, wie die heutige Jugend, die sogenannten „Verlorene-Generation“ so tickt.

Während der Planungen und des Drehs hatte er viele Schwierigkeiten zu überwinden, insbesondere was die finanziellen Voraussetzungen anging, meisterte diese jedoch mit Bravour und schafft es mit vier Frauen im Alter von 17 bis 20 seine reale Vision auf die Leinwand zu bannen. Ihm war es dabei wichtig die Jugendkultur Berlins so realitätsnah wie nur möglich darzustellen und um diesen Plan umsetzen zu können, löste er sich sogar los von jeglichen etablierten Produktionsfirmen und gründete kurzerhand seine eigene, über die es möglich sein sollte ohne Regeln und Vorgaben das Projekt anzugehen.

Darum geht es…

Die vier jungen Frauen Janaina Liesenfeld, Emily Lau, Joy Grant und Abbie Dutton durchleben alle unterschiedlichste Findungsprozesse, die ihren jeweiligen Weg nahezu unberechenbar gestalten. Doch haben sie eins gemeinsam: Sie sind Kinder der Berliner Kultur und wachsen in Mitten dieser großen Partylandschaft auf. Während Janaina mit gerade einmal 17 Jahren ihr Geld mit Webcam-Sex verdient durchlebt die Älteste der vier Mädchen – Emmy – ihren Rausch in vollen Zügen. Dabei merkt sie jedoch nicht, wie sie schrittweise immer mehr in eine Abhängigkeit rutscht und dieser nicht mehr entkommt. Joy nimmt zwar selbst nur selten Drogen, hat sich jedoch einen Namen damit gemacht diese zu verticken und Abbie, die Jüngste der Vier, verfolgt große Pläne in ihrem Leben, lässt sich jedoch auch immer wieder von den unschönen Eigenschaften ihrer Freundinnen mitreißen. Allesamt verbringen sie recht viel Zeit miteinander und wachsen in einer Gesellschaft auf, die ihnen alle Freiheiten und damit grundlegend ein unbeschwertes Leben lässt.

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Rezension

Recht zeitnah habe ich die beiden Produktionen EASY LOVE und YUNG hintereinander gesehen, was jedoch eher aus reinem Zufall als einer geplanten Absicht herrührte. Interessanterweise verfolgen beide Werke einem relativ ähnlichen Tenor, denn beide wollen möglichst realitätsnah sich der heutigen Gesellschaftsordnung annähern und verschiedene Gruppierungen oder Lebensweisen in dieser vorstellen. Unterscheiden tut sie vor allem, dass EASY LOVE sich mit den sexuellen und romantischen Freiheiten der heutigen Zeit auseinandersetzt, während YUNG versucht die spezielle Jugendkultur der Berliner Szene festzuhalten. Beide Werke jedoch nehmen sich vier verschiedene Personen als Anhaltspunkte und erzählerische Ausgangssituation, um dann episodenhaft aus einzelnen Lebenssituationen, Gefühlslagen und Meinungen der Darsteller zu berichten.

Gronkowskis Film erzählt zwar keine dokumentarische Story, erweckt jedoch von Beginn an deutlich mehr den Eindruck als das genannte Pendant, denn immer wieder werden kurze Interviewszenerien eingebaut, in denen die Protagonisten ihre Meinungen in kurzen Statements vorstellen. Diese Nähe zur Realität liefert dem Publikum eine enge Verbundenheit mit den einzelnen Mädchen, insbesondere wenn man selbst in dieser Umgebung groß geworden ist. Reale Probleme einer Generation, die eigentlich vor Sorglosigkeit strotzen sollte finden geschickten Zugang zur Story und bilden so ein rundum spannendes Gesamtwerk. Tatsächlich wird es sogar geschafft eine gewisse Dramaturgie aufzubauen, in der die verschiedenen Charaktere an die Grenzen der Erträglichkeit geführt werden und ein offener Ausgang für die jeweilige Hoffnungslosigkeit oder Chancenergreifung spricht.

Yung

Yung ©2019 Wild Bunch Germany

Lehrreicher Alltag

Dennoch wird hier nur ein kleiner Teil der Berliner-Jugend aufgezeigt, was leicht zu einem verfälschten Eindruck besonders für ländlichere Regionen führen kann. Diese subjektive Wahrnehmung erzählt einzig und allein aus dem grenzwertigen Nachtleben und deren Partygestalten, welches recht präzise ausgearbeitet und visualisiert wurde, aber eben auch nur sich auf die Personen bezieht, die regelmäßig an diesen ausufernden Veranstaltungen teilnehmen. Insbesondere wirkt es schnell so, als würden alle Jugendlichen und jungen Menschen dem Drogenkonsum verfallen sein, was schlichtweg nicht stimmt. Aus diesem Grund wäre es angenehm gewesen als gegenteiligen Akzent zumindest eine Person einzubinden, die nicht diesem Hang der hedonistischen und drogenkultivierten Lebensweise folgt.

Vielmehr schafft es YUNG jedoch zu einem wichtigen Element schulischer Thematiken zu werden, denn vermutlich, ohne dieses Ziel explizit anzusteuern, werden hier Einblicke in eine Lebenskultur geliefert, die junge Menschen erst erfahren, wenn sie sich schon in einem Strudel der Hoffnungslosigkeit befinden. Sprich das Werk zeigt auf natürlichste Art und Weise, wie die offensichtlich tollen und schönen Momente des Alkohol- und Drogenkonsums langfristige Schäden verursachen, ohne dabei mit dem erhobenen Zeigefinger dazustehen und Du! Du! zu rufen. Dies ist womöglich eine deutlich bessere Herangehensweise als mit Verboten und Strafen zu drohen.

Yung

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Beeindruckende Amateure

Vollkommen einprägend und geradezu verstörend wirkt dabei eine Szene, in der der scheinbar einzige anständige junge Mann sich seinen Trieben hingibt und ohne weiter nachzudenken eine schreckliche Tat begeht. An dieser Stelle wird mehr als deutlich, dass Freiheit, Grenzenlosigkeit und die Möglichkeit einfach alles aus sich selbst zu machen auch unverzeihliche Folgen mit sich bringen kann, die wiederum beweisen, dass es für jeden gewisse Grenzen geben sollte und muss. Leider, aber natürlich auch zurecht, ist dieses Werk mit einer FSK 16 versehen wurden, was dazu führt, dass Jugendliche den Film eigentlich erst viel zu spät sehen dürfen, denn eigentlich wäre es angebracht bereits im Alter von 14 oder 15 dieses Werk als Lehrmaterial einzubinden.

Abgesehen vom Inhalt geht auch an die verschiedenen Darsteller ein Lob raus, denn ausnahmslos alle haben ihre Arbeit souverän abgeliefert und es kam nicht einmal ansatzweise der Eindruck auf, dass hier ein Drehbuch dahinterstehen könnte. Gleichzeitig werden Sound und Bilder in moderner Form miteinander vereint und schaffen die visuelle Umgebung, die Berlin der Jugend tagtäglich bietet. Zudem gibt es einige Szenen, die in der typischen Clublandschaft der Hauptstadt spielen und visuell sehr anspruchsvoll sind, denn durch lang andauernde Blitzlichtaufnahmen, bietet der Film vor allem für Epileptiker eine große Gefahr.

In diesem Film werden uns nicht nur die Geschehnisse des Berliner Nachtlebens deutlich näher gebracht, sondern vor allem ein Einblick geschaffen in das Leben hinter den „Opfern“ dieser teilweise ausartenden Kultur: den Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Freiheit, Hedonismus und Drogenkonsum führen zu einer Egalisierung des Alltagsgeschehens vieler Menschen. Regisseur Henning Gronkowski versucht mit seinem Werk das Verständnis aufzubauen, welchem Lebenssinn die heutige Jugend folgt und gleichzeitig stupide und unverfälscht die Realität in präzise ausgestatten Bildern festzuhalten. Dies geschieht jedoch nicht in Form von dokumentarischen Ereignissen, sondern geplant unter Berücksichtigung eines Drehbuchs, von dem weitestgehend nichts zu spüren ist. Gleichzeitig wird jedoch nur eine subjektive Wahrnehmung einer Teilgesellschaft dargestellt, die nicht der Lebensweise der gesamten Generationsgruppe entspricht. Schade ist es daher, dass dieser ausgezeichnete Einblick deutlich verfälscht wird und somit nur teilweise der Wirklichkeit entspricht. Dennoch hat mir die dramaturgische Struktur vereint mit der Ehrlichkeit der Darsteller wunderbar gefallen und verdient durchaus eine Empfehlung.

Yung

Yung ©2019 Wild Bunch Germany