Langreview Kurzkritik English Version Fakten + Credits
13.056 Tote.[1] Diese erschreckend hohe Zahl markiert die häuslichen Unfälle im Jahr 2020, die damit noch höher war als in den Jahren zuvor. Bei 27.273 Verstorbenen, deren Leben durch einen Unfall beendet wurde bedeutet das, dass fast 48% der Menschen im Eigenheim umkommen und diese Gefahr daher nicht zu unterschätzen ist.[1] Das statistische Bundesamt gliedert diese Zahl noch deutlich detaillierter auf, wonach Menschen ab 65 Jahren besonders gefährdet sind.[2] Wenn wir nun noch die Verletzungen, die nicht zum Tode führen mit einbeziehen, steigt die Zahl sogar auf ganze 2,8 Millionen Menschen pro Jahr.[3] In der Filmwelt sieht das jedoch deutlich anders aus, denn mal ehrlich, wer möchte schon sehen, wie der Protagonist sich am Küchenmesser schneidet und an einer Blutvergiftung stirbt? Auch wenn es hierzu keine offiziellen Zahlen gibt, so ist wohl bekannt, dass der Autounfall am häufigsten Schuld sein dürfte, da Morde jeglicher Art nicht in die Unfallstatistik einfließen.
Darum geht es
Als Helga eine Spinne in ihrer Wohnung wegmachen möchte, verliert die Rentnerin das Gleichgewicht und bricht sich ihr Bein. Glücklicherweise findet ihre Haushälterin die verletzte Dame am nächsten Morgen. Nun muss Helga jedoch ganz allein ihren Alltag bewältigen, bis sie den polnischen Arbeiter Ryszard kennen lernt, der als Urlaubsersatz bei der Hausarbeit unterstützt. Auch wenn Ryszard aus deutlich ärmeren Verhältnissen stammt und große Probleme mit der deutschen Sprache hat, entwickelt die ältere Dame Interesse an dem jüngeren Mann und verbringt zunehmen ihre Freizeit mit ihm. Doch ist es keinesfalls schicklich als privilegierte Frau mit einem solchen Mann zusammen zu sein. Hin und hergerissen, muss sie nun entscheiden ob ihr Ansehen bei Familie und Freunden wichtiger ist als ihr eigenes Glück.
Rezension
Auch wenn DA KOMMT NOCH WAS eröffnet wie jeder zweite Film des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, so zeigt sich doch recht früh großes Potential für innovatives deutsches Kino. Doch statt die Idee der häuslichen Gefangenschaft in einen aufregenden Survivalthriller oder wenigstens in ein interessantes Survivaldrama zu wandeln, rutscht das Werk viel zu schnell wieder in die eintönigen und langweiligen Rentnergeschichten ab, für welche das heimatliche Kino leider viel zu sehr bekannt ist.
Drama heißt in Deutschland auch Drama, denn nahezu jede Situation wird unnütz aufgespielt und deutlich zeigt sich die deutsche Nörgelkultur verknüpft mit der anstrengenden Idiotie der Protagonistin. So sympathisch die Figur Ryszard, gespielt von Zbigniew Zamachowski, auch dargestellt wird und uns ans Herz wächst, so unnahbar bleibt Helga, die von Ulrike Willenbacher verkörpert wird. Eine Dynamik ist tatsächlich kaum zu spüren und auch alberne 90er Partyhits lassen den Film nur noch eigenwilliger und gruseliger erscheinen. Doch positiv erwähnt werden kann vielleicht, dass das deutsche Drama konservierend wirkt, denn selbst ein Vogel, der offenbar schon Jahrzehnte tot im Schrank liegt, fällt sichtlich dem Verwesungsprozess nicht zum Opfer. Allerdings bezieht sich dieses Prinzip wohl nur auf tierische Lebewesen.
Das Klassensystem in Deutschland
Doch es wird noch viel schlimmer, denn zwischen Diskriminierung, Unterdrückung und diesem Film bleibt leider nicht viel Platz. So werden fremdsprachige Haushaltshilfen für einen äußerst geringen Lohn beschäftigt und auch noch für das sprachliche Unverständnis von oben herab angemotzt. Abseits dessen werden auch noch die Fähigkeiten der Haushaltshilfe mehrfach in Frage gestellt und diese in ein unterbemitteltes Licht gerückt. Statt jedoch aus der Idiotie zu lernen oder sich lediglich zu bemühen eine gemeinsame Gesprächsbasis aufzubauen, bleiben die Klassenstrukturen über den ganzen Film hinweg erhalten und werden zeitweise sogar immer wieder verschärft.
Die Dekadenz des Reichtums wirft einen äußerst unangenehmen Schatten auf die Handlung und wird nur noch davon getoppt, dass sich die Protagonistin als Heilsbringerin und Retterin betrachtet, obwohl all ihre Taten lediglich auf die eigene Befriedigung und Genugtuung hinarbeiten. Scheinheilige Selbstlosigkeit wird unter Augenwischer prominent platziert und bestätigt die mögliche Weltanschauung eines wohl sehr ausgewählten und konservativen Publikums, welches sich dieses Werk zu eigen machen wird. Die klassistische Betrachtungsweise wird bis zur letzten Sekunde aufrechtgehalten und bis ins unerträgliche ausgereizt.
Das Rentnerprogramm lässt grüßen
Abseits der immer grauen, tristen und lieblosen Bildgestaltung schafft es das Filmteam zudem nicht auch nur ein wenig erzählerisches Tempo aufzubringen, um eine angenehme Dynamik zwischen den beiden Hauptfiguren entstehen zu lassen. Kinematographische Anfängerfehler wirken nervig und anstrengend. So gibt es eine Szene im Park, in welcher unzählige Komparsen klar und deutlich über die ganze Leinwand hinweg platziert wurden und sich nach perfekt durchgetakteten Schemen fortbewegen. Alle gehen in unterschiedliche Richtungen und gehen im exakt gleichen Tempo, wodurch jegliche natürliche Szenerie im Keim erstickt wird.
Fazit
Letztlich gibt es leider nu äußerst wenig positive Aspekte, die dem Werk abzugewinnen sind, obwohl es mehrere Möglichkeiten gab, einmal neue und andere Wege zu gehen, als der übliche Einheitsbrei von TV-Produktionen, die lediglich für die Befriedigung der senilen Konsumenten dient. Auch wenn der Film für lokale Verhältnisse wertig produziert wirkt, ist die Frage der Daseinsberechtigung leider omnipräsent.
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Quellen
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