FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kollegen
 
Originaltitel: Persian Lessons
Kinostart: ursprünglich 07.05.2020 – neuer Termin: 24.09.2020
Länge: ca. 127 Minuten
FSK: 12
Produktionsland: Russland | Deutschland | Weißrussland
Regie: Vadim Perelman
Schauspieler:innen: Nahuel Perez Biscayart | Lars Eidinger | Jonas Nay
Genre: Drama | Kriegsfilm
Verleiher: Alamode Film

Persischstunden

Persischstunden ©2020 Alamode Film

Inspiriert von der Erzählung „Erfindung einer Sprache“ von Wolfgang Kohlhaase ist dieser Film entstanden. Doch dabei war Drehbuchautor Ilya Zofin lange Zeit gar nicht bewusst, dass dies nur eine Erzählung ist. Viel mehr dachte er, dies sei eine wahre Begebenheit, die tatsächlich so geschehen ist. Erst als das Drehbuch bereits geschrieben war und die Produktion des Filmes auf Hochtouren lief, wurde klar, dass hierfür eine andere Grundlage existiert. Doch gibt es tatsächlich viele reale Geschichten aus der Vergangenheit, die zeigten wie findig Menschen damals waren, um durch Witz und Verstand die Nazis zu täuschen und den Terror zu überstehen.

Für dieses Werk wurde ein internationaler Cast zusammengetrommelt. So sind in den beiden Hauptrollen der Argentinier Nahuel Pérez Biscayart sowie der Deutsche Lars Eidinger zu sehen. Biscayart ist seit 2003 in Film und Fernsehen zu sehen und hat 2015 erstmalig in einer deutschen Produktion – BECKS LETZTER SOMMER – mitgewirkt. Die Vielsprachigkeit des Schauspielers wirkte sich sehr positiv auf die Entwicklung des Films aus, denn er spricht sowohl deutsch und italienisch als auch französisch und spanisch, was für die zweisprachig angelegte Figur recht hilfreich war. An seiner Seite, wie schon erwähnt, Herr Eidinger, der im deutschen Filmgeschäft seit Jahren zu den ganz Großen gehört. Zuletzt war er unter anderem in dem Oscarnominierten WERK OHNE AUTOR sowie der deutschen Erfolgskomödie 25KM/H zu sehen und hat auch auf internationaler Bühne sich im Film DUMBO von Tim Burton präsentieren können.

Persischstunden

Persischstunden ©2020 Alamode Film

Darum geht es…

In PERSISCHSTUNDEN mimt Biscayart einen jungen Belgier, der im Jahr 1942 gefangen genommen und zusammen mit anderen Juden vor ein Erschießungskommando gestellt wird. Kurz vor seiner Exekution gibt er die Behauptung zum Besten, dass er Perser sei, was anfangs die Soldaten wenig beeindruckt, doch einer von ihnen ist aufmerksam, denn der Offizier Koch, verkörpert von Lars Eidinger, ist seit einiger Zeit auf der Suche nach Farsi sprechenden Gefangenen. Sein Ziel ist es nach Beendigung des Krieges zu seinem Bruder im Iran auszuwandern, wo er dann ein deutsches Restaurant eröffnen möchte. Um diesen Neuanfang erfolgreich zu beginnen, ist es sein Bedürfnis die Zeit im Lager zu nutzen und bereits die Sprache zu lernen. Die Situation wird somit recht brenzlich für den Gefangenen, denn nun wird er als persönlicher Sprachcoach angestellt, für eine Sprache, die er überhaupt nicht beherrscht. In seiner Not gibt es nur eine Lösung: eine Sprache erfinden und überzeugt dran bleiben an dieser Behauptung – nur das kann ihm das Leben retten.  

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Rezension

Wie ich schon mehrfach erwähnt habe, bin ich großer Fan von Geschichten die wahren Grundlagen und Ansätzen entsprechen. So auch bei PERSISCHSTUNDEN, auch wenn die Story dann doch eher einer Erzählung entspringt. Dennoch ist inhaltlich nicht ausschließbar, dass sich ähnliches tatsächlich auch einmal abgespielt hat, was mir wiederum die Faszination der Findigkeit von Menschen in Extremsituationen zeigt. Dennoch haben wir hier natürlich zum millionsten Male eine Geschichte, die sich im zweiten Weltkrieg abspielt. So fantastische Werke es auch mit dieser Handlungsgrundlage gibt, so nervig wird es auch zum einen diese optischen Eindrücke immer und immer wieder zu durchleben und zum anderen auch wiederholt diesen Gefühlswechsel zwischen absoluter Verblüffung hinsichtlich der Methoden mit Menschen umzugehen als auch der Begeisterung oder Trauer, um die meist findigen oder eben auch Leidtragenden Hauptfiguren, durch zu machen.

Persischstunden

Persischstunden ©2020 Alamode Film

Doch kommen wir speziell zu diesem Werk. Die Story selbst ist simpel und dennoch spannend, teilweise dramatisch gehalten. Die gradlinige Erzählung wird vom Intro und der abschließenden Szene umklammert und spielt somit vor der einführenden Szenerie. Abgesehen davon gibt es kaum erzählerische Abschweifen und vor allem keine lästigen Rückblicke, sondern wird sich weitestgehend auf die Basisgeschichte konzentriert. Einzig die Nebenfiguren sorgen für eine kleine parallele Fehde, die jedoch ein wenig tollpatschig wirkt und sich nicht so recht schafft zu entfalten. Dahingehend auch gleich ein kurzes Wort zu den Nebendarstellern: diese schaffen einzig und allein die angemessene Atmosphäre sind jedoch im groben und ganzen eher überflüssig zwecks ihrer schauspielerischen Darstellungen. Zudem wirken die Konstellation und auch Motivation der darzustellenden Figuren teilweise undurchsichtig und verwirrend.

Eidinger un Biscayart in bravourösem Zusammenspiel

Insgesamt konzentriert sich PERSISCHSTUNDEN also vielmehr auf die beiden Hauptdarsteller, die auch schon im Einführungstext besondere Berücksichtigung fanden. Hierbei ist es nicht schwer einen persönlichen Favoriten auszumachen, denn Lars Eidinger brilliert in unglaublich charmanter und gleichzeitig unberechenbarer Schauspielmanier. Innerhalb von wenigen Augenblicken schafft er es die Persönlichkeitsstruktur seiner Figur komplett auf den Kopf zu stellen und damit stets eine gefährliche, freundschaftliche Atmosphäre aufzubauen. Dabei schafft er es vor allem mimisch, aber eben auch sehr präzise durch seine Stimmlage die jeweilige momentane Entwicklung zu beeinflussen.

Lars Eidinger und Nahuel Perez Biscayart

Persischstunden ©2020 Alamode Film

Doch auch Nahuel Pérez Biscayart sollte nicht unerwähnt bleiben, denn hierzulande noch weitestgehend unbekannt frönt auch er seiner Arbeit grandios und mitreißend. Anfangs wirkt er noch wie eine tollpatschige Figur aus den Comics von Asterix und Obelix, doch schafft er es im Verlaufe der Handlung eine unnahbare Figur zu schaffen, die stets von Angst und Zwiespalt geprägt ist und dabei unfassbare Leistungen abrufen muss, um nicht selbst zum Opfer seiner eigenen Lüge zu werden. Zusammen mit Eidinger bilden die Beiden ein spannendes Duo voller Gegensätze, welches sich dennoch sympathisch ergänzt.

Optisch unbeeindruckend

Visuell hat der Film nicht ganz so viel zu bieten, was aber zu großen Teilen auch daran liegt, dass sich die meisten Gegebenheiten entweder in einer Unterkunftsbaracke, einer Küche oder einem freien Stück Land auf dem Lagergelände abspielen. Diese sind zeitgemäß recht schlicht ausgestattet und liefern daher nur wenig berichtenswertes. Dennoch hat Vadim Perelman versucht das früher existierende Lager Natzweiler-Struthof an der deutsch-französischen Grenze bestmöglich zu rekonstruieren und sich zur historischen Genauigkeit zusätzlich die Unterstützung eines geschichtlichen Expertens gesichert. Zudem hat der Spruch des Eingangstores vom KZ Buchenwald ebenfalls Platz gefunden in dieser Lageranstalt: „Jedem das Seine“.

 

In internationaler Koproduktion hat es das Team um den Regisseur Vadim Perelman geschafft eine fiktive Geschichte mit realen Wurzeln wie echt ausschauen zulassen, was unter anderem jedoch auch ein wenig Unwissenheit geschuldet ist (mehr dazu in meiner Langkritik). Hierbei wird dem Zuschauer eine Story erzählt, die zu weiten Teilen sinnig und nachvollziehbar wirkt und dadurch einen recht schmucklosen Verlauf nimmt, der einer interessanten Dramatikentwicklung folgt. Genau in dem Moment als diese einen herben Einbruch erfährt und der Grat der aufkommenden Langenweile schon spürbar ist, wird die Story herumgerissen und versprüht eine neue herzliche Komponente, die es zuvor nur wenig in die Handlung geschafft hat. Fast schon mühelos zeigt sich dabei Lars Eidinger von seiner besten Seite und schafft es eine recht komplexe Figur mit vielen verschiedenen Emotionsebenen zu erzeugen, die das Publikum immer wieder zu überraschen weiß ohne dabei vom eigentlichen charakterlichen Pfad abzuweichen. Abgesehen davon nimmt natürlich die unendlichste Geschichte aus den Reihen von Kriegserzählungen hiermit wieder seinen Lauf und funkelt daher eher schwach unter einem fast schon erloschenen Stern der Begeisterung für eben solche Darbietungen.